Schreibzeit Hard 2005 – Tagebuch


Samstag, 14. Mai 2005
Tag der Entdeckungen!

Um 8 Uhr quälten wir uns aus dem Bett, um pünktlich um 8 Uhr 25 zum Frühstück bereit zu stehen.
Vor unserer Einkaufsexpedition las jeder einen Satz zum Thema "Woher ich komme" vor.
Danach marschierten wir zum Spar und stürmten das Geschäft.
Unser erbitterter Schlachtzug führte uns vom Obst, über Milchprodukte und Brot, bis hin zur Schokolade, nur das Salz wollte nicht gefunden werden.
Als das weiße Gold entdeckt war, wurde es Zeit, dass wir mutigen Abenteurer uns beim Mittagessen stärkten.
Zuvor jedoch mussten wir uns den Ureinwohnern von Hard stellen, die uns anscheinend nicht sehr freundlich gesonnen waren.
Nach unserem Siegesmahl wurden wir erneut zum Kampf aufgefordert.
In einem Gefecht auf Plot oder Tod stellten wir uns den kritischen Blicken der Stammesführer und der anderen Krieger.
Nachdem auch diese Schlacht erfolgreich geschlagen war, konnten wir geruhsam in die Flüsse unserer Inspiration eintauchen.
Noch vor dem Abendmahl wurde so manche literarische Perle aus dem Wrack der Ideen geborgen.
Ein Teil der Krieger bereitete uns eine bis dahin unbekannte, kulinarische Delikatesse vor: Nudeln mit Suppe!
Vor dem Schlafengehen wagten wir uns noch in Kleingruppen in die verschiedensten, literarischen Sümpfe.
Erst im Morgengrauen zogen wir uns in unsere Lager zurück, um für den neuen Tag Kraft zu sammeln.

Sarah, Silvia, (Anna)

 

Montag, 16. Mai 2005

Die Sonne weckt mich schon eher, als ich eigenlich meinen Wecker gestellt habe. Naja, was soll's, dann nutze ich einfach die Zeit, die mir noch bleibt, um ein wenig kreativ zu sein. So kommt es, dass ich es wirklich schaffe, in einer halben Stunde einen kleinen Text mit 1000 Wörtern zu tippen. So schnell war ich auch noch nie. Nach dem allmorgendlichen gemütlichen Frühstück geht es auf in die Kritikrunde, und ich trage meine Geschichte vor. Aha, so schlecht ist sie nicht, ich bekomme trotzdem noch viele Vorschläge.
So ergeht es den vielen anderen weiblichen Autorinnen, ich bin diesmal das einzige männliche Wesen unter zehn Damen, und ehe wir es bemerkten, war auch schon Mittag. Heute, an Pfingstmontag, eine kleine Herausforderung, da wir uns selber versorgen müsse. Doch für uns gar kein Problem. Pünklich um 13.30 Uhr stehen Käse- und Wurstnudeln auf dem Tisch, nachher gibt es einen erfrischenden Jogurt mit reicher Auswahl an Früchten.
Am Nachmittag ist wieder einmal Schreibzeit, die von vielen genutzt wird, die drei Deutschen, darunter auch ich, ziehen jedoch aus, um einige Flyer für unsere Abschlusslesung in Bregenz zu verteilen. Doch leider werden wir nicht viele los, in Bregenz wimmelt es von Touristen, die leider keine Interesse an literarischen Leckerbissen haben.
Kurz nach sieben gibt es dann Abendessen. Die Kochgruppe hat sich zum zweiten Mal richtig Mühe gegeben, es gibt Pizza und Salat. Wir bleiben sitzen und entschließen uns zu einer weiteren Kritikrunde zu später Stunde. Wieder wird viel gelobt und viele Tipps gegeben. Es wird zehn, und die Autorinnen und der Autor immer müder, wir beenden die Runde mit einer Gruselgeschichte,bervor alle müde und den Kopf voller Verbessurngsvorschläge für eigene Texte in ihren Bungalows verschwinden.

Daniel

Dienstag, 17. Mai 2005
Morgens: Blauer Himmel, abends: Blaues Mädchen.

Vieles war anders an diesem Tag. An unserem letzten Tag.
So waren wir ziemlich überrascht, als wir nach einer Nacht voller Regen morgens aufwachten und in einen klaren Himmel blickten. Der Eindruck täuschte allerdings, denn die Temperatur war nicht so warm, wie man hätte annehmen können.
Der erste Unterschied begegnete uns schon beim Frühstück. Das deutsche Eck + Caroline kam zum ersten Mal zu spät! Die Ausnahme bestätigt eben die Regel ;)
Unsere auf kurz nach dem Frühstück gelegte Kritikrunde verschob sich sehr nach hinten, weil noch Texte übertragen, verbessert, ausgedruckt und letzte Postkarten geschrieben werden mussten. Doch nach einer Weile konnten wir unter strahlendem Sonnenschein, aber kühlem Wind die letzten Werke diskutieren, was inzwischen sehr anstrengend geworden, aber dennoch produktiv war.
Kurz vor dem Marsch zum Mittagessen sprangen wir noch schnell unter die Dusche, da in einer halben Stunde das Wasser für einige Zeit abgestellt werden würde, wovor uns Martin und Johannes eindrücklich gewarnt hatten (so nach dem Motto: "Wenn du dann mit Shampoo auf dem Kopf dastehst und nix mehr kommt, is' schlecht …").
Nach der gewöhnlichen Mästung durch Gasthaus Sternen begaben wir uns zum Seeufer, wo Johannes völlig natürliche Fotos von uns Schreibenden machte. Daniel erfreute sich besonders an einer Ente mit Irokesenschnitt und versuchte, sie anzulocken, womit er allerdings kläglich scheiterte, ganz im Gegensatz zu Caroline und Sarah, die sie mit Marions Brot bestachen und anschließend bewarfen.
Das Fotoshooting setzte sich vor dem Rathaus fort, wo wir uns selbst in der großen Spiegelfront ablichten konnten.
Der Nachmittag verlief für die einen äußerst entspannend, da sie an ihren Texten nichts mehr auszusetzen hatten, für manch andere allerdings sehr stressgeladen, weil sie noch viele Kritikpunkte berücksichtigen wollten, was sich mit drei Computern und einem Drucker nicht unbedingt einfach gestaltete. Doch da alle Ehrgeiz entwickelt hatten, auch wirklich gute Stücke vorzutragen, war alles bis zum Abendessen geschafft, das erneut im Gasthaus Sternen stattfand. Nudeln und Fleisch bzw. Gemüse standen auf der Speisekarte, das Beste war jedoch der Nachtisch (Erdbeeren mit Schlagobers und Vanilleeis), so dass wir das Essen in sehr guter Erinnerung behalten werden können. (Taktisch klug, liebe Familie Sternen…! ;) - Nein, im Ernst, man konnte im Allgemeinen wirklich nichts an den Mahlzeiten aussetzen).
An unserer Ecke entwickelte sich ein reges Gespräch über Filme, besser gesagt über einzelne Szenen aus Filmen, die nachgespielt und diskutiert wurden - die Diskussionsrunden fruchteten schon! J
Mit den üblichen vollen Bäuchen begaben wir uns zum Rathaus, wo unten im Schiff die Lesung stattfinden sollte. Wider Erwarten fanden sich (nachgezählt!) rund 50 Zuhörer ein, unter ihnen nicht nur Eltern.
Die Lesung gestaltete sich sehr schön, während unseres Sitzens auf dem Podest (nicht während dem Vorlesen) bemerkten wir außerdem, wie cool das Rathaus eigentlich gebaut war, solange man das Ganze nicht von außen sah (es erinnerte uns schon sehr an die OB-Farbe …J ).
Glücklich fuhren wir anschließend mit drei Taxis zur Spielhölle, wo wir uns im Billard und Dart Spielen übten und kleine aggressive Jungs beobachteten, die auf den Kicker regelmäßig mit voller Wucht einhämmmerten. Tja, die Dorfjugend …
Gegen eins kamen wir geschafft und teilweise besoffen (à Shida: Blätterverteilerin, Hochstaplerin, Kichererbese in einem) nach "Hause".
Unser Wort zum Mittwoch: "Grade wenn man sich so schön eingelebt hat, muss man wieder abreisen" (O-Ton Caroline)
P.S.: Die letzten Zeilen entstanden ohne die großartige Hilfe meiner lieben zweiten Mitbewohnerin Shida, da der Rausch begann, sich auszuschlafen.

Lisa-Mirka, Shida

 

Mittwoch, 18. Mai 2005

Es ist 23:45 und ich stehe leise auf dem Bahnsteig in Bregenz. Über Lautsprecher wird der Zug angekündigt, der fünf Minuten verspätet ist, die Stimme hallt in der Nacht, aber noch sind die Gleise schweigsam und leer. Vor etwas mehr als drei Stunden bin ich noch im Harder Rathaus gesessen, einem mitten im Binnenland gestrandeten Schiff, und habe gelesen. Jetzt bin ich etwas gedämpft vom Wein, der nachher dort ausgeschenkt wurde, und muss in Feldkirch den Nachtzug nach Wien erwischen. Drei Lichter nähern sich langsam, ich steige ein in den kleinen Regionalzug, der mich an die Schnellbahn in Wien erinnert, und zwanzig Minuten später steige ich auch schon wieder aus, die schwere Reisetasche stolpert voraus, Feldkirch ist auch nicht wärmer.
Ich erwische meinen Anschlusszug und wanke bald durch den Gang des Liegewagens, suche mein Abteil, es ist noch nicht abgeschlossen, alles schläft. Ich bleibe kurz stehen und schnaufe aus. Zuerst versuche ich dann, meine Tasche ins obere Gepäckfach zu heben, aber sie ist zu groß und zu schwer, drückt auf meine Finger und schwankt gefährlich, also trete ich sie so fest und so leise wie möglich unter das Bett. Es ist ja nicht so, dass ich freiwillig schon in der Nacht der Lesung heimfahre. Ich bin schließlich bereits 18, zu alt eigentlich, das könnte meine achte und letzte Schreibzeit gewesen sein und noch dazu eine der … es ist schwer, einen positiven Superlativ zu finden, den Johannes nicht sofort ausstreichen würde. Jedenfalls hätte ich Lust gehabt, in Hard und noch lange wach zu bleiben, viel zu reden und am nächsten Morgen mit Ringen unter den Augen aus dem Bett zu kriechen.
Morgen, nein, heute um 12:00 muss ich aber ein Referat halten über die Hintergründe des Kampfgeschehens in Bosnien-Herzegovina, das kann man nicht verschieben, das ist Uni, das ist nun mal so.
Aus dem Rucksack krame ich mein Zahnputzzeug, und suche die Waschkabine auf, um wenigstens noch ein kleines bisschen Katzenwäsche zu betreiben. Doch dort angekommen bemerke ich verwundert, dass ich statt meiner Zahnbürste einen Bleistift in der Hand halte. Vielleicht bin ich doch müder, als ich dachte, oder beschwipster, oder das Schreiben hat einfach die Überhand übernommen oder Reinhardt, ein Charakter aus einer Geschichte, an der ich arbeite. Ihm wäre bestimmt genau dasselbe passiert.
Nach einem kurzen, aber heftigen Kampf mit meinem Leintuch und danach mit dem Schloss der Abteiltür schlafe ich gut, leicht zwar, mein Kopf stößt immer wieder gegen spitzes Metall. Züge sind nun mal nicht sehr anschmiegsam, wer soll es ihnen verdenken?
Dann weckt mich schon der Schaffner, kaum habe ich mich aufgesetzt, stellt er mir das Tablett mit dem Frühstück - zwei blasse Semmeln mit Marmelade und Kaffee - aufs Bett. Es ist hell, um mich herum gähnt es, sieben Uhr früh. Gott sei dank ist der Magen bei mir ganz grundsätzlich das Erste, das aufwacht. Während ich an meiner Semmel kaue, muss ich lachen, weil auf die anderen Schreibzeitteilnehmer erst in eineinhalb Stunden das Frühstück wartet, im Gasthof Sauna, mit Schinken, herbem Käse und aufmunternder Regionalsendermusik.

Der Westbahnhof begrüßt mich mit Kälte, feuchter Luft und Regen. Es ist so, als hätte ich Hard nie verlassen, ein tröstlicher Gedanke.
Ich muss jetzt erst einmal heim, mich umziehen, eine Karte von Bosnien im Internet finden, sie in einem Kopiergeschäft auf eine Folie drucken und na ja, zur Uni aufbrechen.
Als ich in der U-Bahn stehe und allmählich aufwache, weiß ich noch nicht, dass in demselben Nachtzug nach Wien, nur zwei Wagons entfernt, eine gute Freundin von mir gesessen ist, die durchaus gern mit mir geredet hätte. Außerdem habe ich Gott sei Dank noch keine Ahnung davon, dass ich das Referat über Bosnien gar nicht halten werde, dass der Lehrveranstaltungsleiter zwei Stunden lang über Nationalismus reden wird. Spätestens, wenn es 14:00 ist und die Übung zu Ende, ohne dass auch nur ein einziges Referat begonnen werden konnte, wird sich für mich natürlich die Frage stellen, wozu ich eigentlich mit dem Nachtzug nach Wien gefahren bin, wozu ich so kurz nach der Lesung los gehetzt bin, obwohl ich das gar nicht wollte, wirklich nicht.
Nun ja.
Irgendeine Ausrede braucht man ja, um doch noch eine Schreibzeit besuchen zu können.

Elisabeth

 

Lesetipp: Das Werkstatt-Tagebuch zur Schreibzeit Hard 1999



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