treff.text Alberndorf 2007 – Tagebuch


Sonntag, 19. August 2007 - Anreise

Also im Prinzip haben wir uns fünfmal verfahren. Wenn man von ganz unten kommt, glaubt man, das Ende der Welt zu kennen - aber da hatte ich mich sowieso geirrt.
Irgendwo bei Linz, ein Örtchen genannt Alberndorf - Aber wo war das bitte?
Als wir's dann gefunden hatten, hieß es, das Seminar- und Ferien-Gästehaus Weikersdorf ausfindig zu machen, ein Diakoniewerk, wie es schien, mitten im abgeschiedenen Nirgendwo, das eine traumhaft schöne Berg- und Tallandschaft beschrieb.
Wir haben das inspirierende, efeuberanke Gebäude aus altem Gestein selbstverständlich sofort ins Herz geschlossen. Noch beim Bewundern des Gemäuers sahen wir uns mit sehr unbeholfenen Klängen einiger Flöten konfrontiert, die uns auch die kommenden Tage hartnäckig verfolgen sollten.
Die Zimmer - angenehm klein, Bett, Tisch, Schrank. Sehr fantasievoll, ganz zu schweigen von den geschmackvollen Vorhängen. Wir machten Bekanntschaft mit Spinnengetier und lästigen Flugwesen. Unter anderem lernten meine Zimmerkollegin Irmi und ich einen etwas altersschwachen Weberknecht, Wolfram, kennen.
Die Literaturwerkstatt und damit die Schreibzeit begann um 18 Uhr mit dem Abendessen (belegte Brote).
Nachdem wir, zehn Literaten und zwei Betreuer (sowie Literaten), Constanze John und Martin Ohrt, uns gestärkt und gewässert hatten, trafen wir uns draußen um 20 Uhr zum Kennenlernen. Wie sollte man einen Literat anders kennenlernen als durch einen Text! Jeder stellte eines seiner Werke vor, die ausnahmsweise weder bekrittelt noch gelobt wurden. Bevor die bedrohlichen Wolken brachen, flüchteten wir in den Seminarraum und beendeten dort unsere Lesungen. Als kleine zehnminütige Schreibaufgabe und Gutenachtandacht sollten wir zur Frage "Woher kommst du" schreiben. Stichwörter: Ein Ort, drei Dinge, und Dunkelheit. Schon waren die ersten Geschichten geschrieben.
Zirka um 22 Uhr landeten wir, wohlgemerkt, in den Zimmern, nicht in den Betten. Beschwerden im Nachhinein wurden angenommen und auskuriert.

Nadia Schäffer

Montag, 20. August 2007

Toll! Ein Flötenkonzert ganz in der Früh. Und von Anfängern! Wow … Echt … Toll?
Bisher hatten wir das Ausmaß der Tatsache, dass wir nicht allein im Haus waren, noch nicht so ganz erfasst, aber jetzt …
Wie auch immer … Der Tag hatte schon einmal musikalisch begonnen, und so ging es auch in der Schreibzeit weiter. Mit den Ohrstöpseln in den Ohren versuchten manche, die Musik zu übertönen, die durch sämtliche Wände, Türen und Fenster drang.
Nun ja, nach dem Mittagessen stand sowieso ein Kulissenwechsel an, die Fahrt nach Linz. Schreibsachen packten wir ein (die bestanden aus einem Phantasieschreibblock, und den Stift vergaßen wir leider) und natürlich Geld für "eventuelle" Shoppingtrips.
In einer Vierergruppe zogen wir los, und bald darauf saßen wir in einem Café - Gute Entscheidung, denn kaum hatten wir unsere Eisbecher bestellt, begann es zu regnen. So saßen wir unter einem Schirm auf der Terrasse, löffelten Eis und unterhielten uns - nätürlich - über ziemlich alles, was (nicht) in das Genre Literatur passt, also Schummelmethoden, Schikurserlebnisse, Bekannte und unsere Pläne für den restlichen Tag. Als wir mit dem Eis fertig waren, hatte der Regen aufgehört, und unsere Shoppingtour konnte beginnen. Schließlich, nach stundenlangem Auf- und Abgehen der Einkaufsstraße, gelangten wir als Letzte zu unserem Treffpunkt - aber immerhin noch vor Martin und Constanze …
Gemeinsam ging es zu "Schindler's Heurigen", wo man eindeutig erkennen konnte, dass Käse beliebter ist als Wurst und Schinken. Nach einigen aufklärenden Gesprächen über den Geschmacksunterschied von Apfel- und Traubensaft fuhren wir wieder zurück zu unseren lieben Flötenspielern, die *Überraschung* anscheinend gerade eine Pause einlegten.
Wir waren uns einig: Gebt uns die Erlaubnis, uns ins Bett zu legen, und wir schlafen, bevor wir drinnen sind!
Aber …*Überraschung Nr. 2*: "Wir treffen uns in einer Viertel Stunde!"
Ach, was für ein Zufall …
Wie auch immer, nach sehr anregenden Texten über krawattentragende Kater und rumänische Männer, die ihrer Frau befahlen, einen Sack arbeiten zu lassen, hieß es dann endlich: Gute Nacht!
Und *Überraschung Nr. 3* wir lasen nicht noch einen Text über Surbaya-Johnny, der endlich seine Pfeife aus dem Maul nehmen sollte…
Stattdessen *behandelten* wir sämtliche Themen, die am Nachmittag noch nicht, oder nur ansatzweise, aufgekommen waren. Irgendwann schließlich, es war auf jeden Fall schon dunkel, schliefen wir ein, um am nächsten Morgen wieder musikalisch geweckt zu werden …

Lena Bodner und Maria Thöni

Dienstag, 21. August 2007

Nach dem hervorragenden Frühstück (in solchen Punkten merkt man halt, dass man am Land ist), versuchten wir, unsere teils von zu Hause mitgebrachten und aus dem gestrigen Linz-Besuch gewonnenen Ideen in Geschichten oder in Gedichte umzuwandeln. Falls jemand sehr schnell war oder einfach am Vorabend schon geschrieben hat, konnte es in der Vormittags-Kritikrunde preisgegeben werden. Die Menge der vorgelesenen Texte war dann doch größer, als mancher erwartete, und wir hörten gleich als Erstes eine mysteriöse Geschichte über eine alte Dame. Weiter ging es mit der (vermeintlichen) Liebe und dem Leben einer entmutigten Schauspielerin. Schließlich gab es aber auch noch einen humorvollen Text über Spinnenphobie und ihre Bewältigung.
Das Mittagessen verlief, wie bis jetzt jeden Tag, relativ ruhig. Die Lasagnestücke waren so groß wie halbe Ziegel und schmeckten ebenso gut wie die Nudeln mit Gorgonzolasoße.
Nach einem Eisbecher begann die Frei- nein! Schreibzeit. An verschiedenen Orten verteilt, griffen wir zu Stift und Zettel, um uns von der leider nicht vorhandenen Muse küssen zu lassen. Das Flötenspielen musste sie vertrieben haben.
Ob im Garten, im Bett, am Fußboden oder auf der Wiese, es wurde überlegt, in die Luft gestarrt und natürlich geschrieben, geschrieben, geschrieben.
Nach etwa 50, na ja … 2 Geschichten machten Tiana, Valli und ich uns auf den Weg, nach kreativen Einfällen zu suchen. Wenn schon nicht die Muse zu uns kam, dann eben wir zu ihr.
Die Steine am Philosophenweg hatten leider nicht die erzielte Wirkung, also machten wir uns nach einem kurzen Fotoshooting auf den Weg zum Abendessen.
Als wir uns um kurz nach sieben alle im Garten versammelt hatten, begann die Textbesprechung. Keine Wege, Schweinsohren, interessante Wesen, Nordwind, Fußballstangen und sogar ein blondes Ding kamen in unseren Geschichten vor.
"Mombert", der sich so weich anfühlte, war natürlich immer mit dabei.
Als es uns draußen zu kalt und zu dunkel wurde, flüchteten wir in den Seminarraum.
Nach einem Krimi á la Lena, die ihre Muse in unserer Gruppe gefunden hatte, sprachen wir über unsere Lieblingsbücher.
Nach ein paar Gutenachtgeschichten, die eher Albträume als Schlaf mit sich brachten, gingen wir, noch immer kichernd, auf unsere Zimmer.

Armin Schrötter, Lola Peuerböck

 

Mittwoch, 22. August 2007

Erweckt von jenseitigem Flötengespiele, hatte der Morgen schon von Anfang an seine eigene Qualität - sie wurde allerdings durch das ewig gleiche, aber variable Frühstück gehoben. Voll mit Kaffee und Tatendrang, gingen wir über zur morgendlichen Kritikrunde, eine Odyssee von sommerlichen Gefilden über fremde Städte bis zur Wüste, durch Himmel und Hölle und schließlich zum Mittagessen.
Später dann, gesättigt und gestärkt, werden wieder die einsamen Plätze aufgesucht, wo die Stille nur von den kläglichen Versuchen der Flötisten, einige Töne zu treffen, gestört wird. Dabei muss man erwähnen, dass sich die Klangqualität in den letzten Tagen um einiges verbessert hat. Wer jedoch trotz der zu Flötisten mordenden Geschichten inspirierenden Musik noch einen klaren Kopf bewahrt, trifft sich in kleinen Gruppen, oder nur zu zweit mit Constanze, um gerade entstandene oder überarbeitete Texte zu besprechen. Der eben anklingende Tonleiternmarathon wird nur durch einen mit uns leidenden Bauern gestört, der verzweifelt herauf schreit: "Könnts nicht amal was gscheites spieln??" Er ahnt nicht, dass auch wir der Folter nur zu gern entkommen würden. Am Besten mit Pudding und viel Mückenschutzmittel.
Gegen Abend wird wieder Kritikrunde gehalten, und es scheint, obwohl auffällig viele Texte vom hoffnungslosen Suchen nach Inspiration oder Ansätzen, ein Gedicht zu schreiben, handeln, dass das Geschichtenschreiben nun leichter fällt. Mombert dreht jetzt und auch nach dem Nachtmahl sehr häufig die Runde, wird geknautscht und gequetscht. Charmed mäßige Dämonen erfüllen die späten Abendstunden, während das Lesen unter mangelndem Licht zunehmend schwerer wird. Wir lassen Astronauten in Raumschiffen durch das Weltall fliegen, sind mit dabei, als sich Tod und Leben ein kleines Stelldichein geben, und schrecken auch nicht vor kaltem Wasser zurück, in dem Menschen Sekunden … bald Minuten vor sich hin hängen. Es wird über den Unterschied von Wänden und Mauern diskutiert und gerätselt - und ob Nadias Geschichte jetzt zum Genre Märchen oder Fantasy gehört, ist sowieso eine Frage, die ewig ungeklärt bleiben wird. Es wimmelt nur so von Schwedinnen mit gesenkten Blicken und toten oder zumindest totgeglaubten Menschen, die in Wirklichkeit wahrscheinlich gar nicht tot sind. Am Ende des Tages ist es jedem selbst überlassen, ob er noch den heiß geliebten Gute-Nacht-Geschichten lauscht oder das Zimmer aufsuchen will. Vereinzelt legt man sich heute früher zu Bett, oder verbringt die restlichen wachen Stunden damit, an dem Eintrag für dieses Tagebuch zu schreiben. Wir haben noch viel Arbeit vor uns.

Theodora Bauer, Barbara Chaloupka

 

Donnerstag, 23. August 2007

Wie jeden Morgen wurden wir um acht Uhr von unseren Handy-Weckern aus dem Schlaf gerissen. Doch nachdem die munteren Melodien ausgeschaltet wurden, konnten wir uns schon auf die nächsten freuen: die Flöten, die uns so wunderbar in den Tag begleiteten. Fluchend stolperten wir also zum Frühstückstisch, und nach ein paar viel zu süßen Nutella-Broten begannen wir auch schon, unsere Texte zu überarbeiten, die wir heute Abend präsentieren sollten.
Lena, Lola und ich beschlossen, vor den nie enden wollenden Tonleitern zu flüchten, und landeten schließlich im Wald, der uns als Inspiration für einige schöne Gedichte diente. Leider dauerte das nicht lange, denn als wir auf eine Lichtung zusteuerten, mussten wir feststellen, dass die Flötenmusik bis hierher zu hören war. Nach unserem "Urschrei" und unserer Verewigung auf einer Alberndorfer Holzbank machten wir uns schließlich mit gefüllten Dana-Dateien auf den Weg zum Mittagessen.
Gleich nach dem Mittagessen treffen wir uns zur letzten Textbesprechung, wo wir zum wiederholten Mal unsere Meinungen zu anderen Texten bekannt geben. Kaum sind wir damit fertig, werden auch schon sämtliche Computer belagert. Die letzten Texte müssen übertragen, abgetippt oder doch noch verbessert werden. Außerdem müssen die zur Lesung auserwählten Texte probegelesen werden, möglichst ohne dass neue Zweifel aufkommen … Wer von uns das erledigt hat, kann (endlich) die Stille genießen, fast vermissen wir die Flötenspieler schon.
Dann geht es auch schon auf zur Lesung. Nachdem wir alle das berühmt-berüchtigte Bild des weinenden Mädchens betrachtet haben, beginnt Nadia, den ersten Text zu lesen. Noch einmal können wir alle die schönsten und besten Texte der Woche hören - hören noch einmal von Leben und Tod, Chevrolets, Ferkel, Liebhabern und vielem mehr.
Kaum ist der Beifall verklungen, stürmen wir schon das Buffet, außerdem müssen wir noch viele nicht geschossene Fotos aufholen.
Zurück im Gästehaus, treffen wir uns noch einmal im Seminarraum und versuchen, Personen mit Hilfe von schlau gestellten Fragen zu erraten. So erfahren wir nebenbei noch eine ganze Menge über uns selber - Charaktereigenschaften wie blau, Orchidee, Mittelalter und Lyrik sind nur wenige der gefallenen.
Ins Bett gehen anschließend nur die Wenigsten. Denn eins ist sicher: Wer jetzt nicht noch bis drei Uhr Früh Fotos anschaut und sich unterhält, hat die Woche wirklich nicht ganz ausgekostet.

Valentina Pock, Irmina Watzer

Freitag, 24. August 2007 - Abreise

Der Tag fing schon schlecht an. Ich war eine halbe Stunde später aufgestanden, als ich mir vorngenommen hatte. Hätten wir gestern bzw. heute doch ein wenig früher ins Bett gehen sollen? Naja, daran konnte ich jetzt auch nicht ändern, und die paar Stunden Schlaf konnte ich jetzt auch nicht nachholen.
Nach dem etwas hektischen Taschepacken kam dann der Abschied. Ach ja, diese Abschiede: Umarmungen, Trauer und die Vorsätze zum Wiedersehen …
Da wir gestern festgestellt hatten, dass der Zug nach Graz zum Beispiel keinen Abstecher nach Berlin machen wird und dadurch auch zu einer anderen Zeit abfährt, hatte der Organisator entschieden, zwei Fuhren zu fahren. Ich war in der ersten dabei. Alles verlief relativ unproblematisch. Jeder gelang in seinen Zug.
Dort dachte ich über den Ablauf nach: Ich musste einmal umsteigen, wofür ich 12 Minuten Zeit hatte. Beim Überlegen wurde ich von der Stimme im Lautsprecher unterbrochen. Diese sagte, dass unser Zug wenige Minuten Verspätung haben würde. Ich dachte mir, solange es nicht 12 wären, gäbe es keine Probleme. Doch als die Ansage im Minutentakt die kurze Verspätung erst auf 5, dann auf 7, 14, und schließlich wieder doch auf 13 steigerte, hatte ich schon ein wenig Sorge gehabt. Jedoch beruhigte es mich, als er meinte, dass der Zug nach Berlin, den ich auch nehmen würde, wartete.
Auf einmal sagte er, dass wir ein paar Minuten mehr Verspätung hätten und mein Anschluss nun nicht mehr warten könne.
"Na toll", dachte ich mir verärgert. Am Bahnhof hatte ich ja nun auch genug Zeit, um mich über die Geschehnisse Aufzuregen. Doch auch mein Versuch, meine Wut an meine Mutter am Telefon auszulassen, scheiterte, da weder ich sie, noch sie mich durch die ständigen Verspätungsansagen, die am Bahnhof ertönten, verstehen konnte …
Irgendwann kam dann endlich mein Zug. Die Fahrt verlief, davon abgesehen, dass ich mehrmals den Platz wechseln musste, da ich nun keine Reservierung mehr hatte, ganz gut.
Bei meiner Ankunft wartete mein Vater schon.
Auf seine Frage, wie es in Alberndorf war, berichtete ich von Nadia, und dass sie 13 Bücher bereits mit ihren 15 Jahren geschrieben hat, von den lustigen Abenden, an denen Martin uns witzige Geschichten aus den vorigen Werkstattwochen vorlas, von der entspannten Atmosphäre, die es auf dieser Schreibzeit gab und, und, und … Auch er entnahm meiner Laune und meinen Erzählungen, dass es mir sehr gut gefallen hatte; ich muss sagen, er hatte Recht, und ich glaube, dass ich da nicht die Einzige bin.
Und als er mir dann noch sagte, dass wir zur Feier meiner Ankunft in mein Lieblingsrestaurant gehen werden, hatte sich mein Ärger über die Zugfahrt gelegt. So hatte der Tag doch ein gutes Ende genommen.

Tiana Tóth

 



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