Maria Nguyen (16)

Bodenlos

Die Unendlichkeit dieser wunderbaren Sommerlandschaft
ein blaubemalter Himmel
die hohen Gräser, das satte Getreide
das Summen der Bienen in einem melodischen Bild festgehalten

nur ich und mein Land

Es ergreift mich, es umgarnt mich. Es betört mich!

Mein Rad scheint mit dem glühend heißen Asphalt zu verschmelzen,
meine Sinne hören den Duft der frischgemähten Wiesen,
mein Herz schlägt schneller denn je,

ich spüre es, ich weiß es, ich atme – daß ich lebe!

Nie mehr gerade auf der Straße fahren,
nie mehr die Hände an das Lenkrad legen,
nie mehr schweigen müssen –

Ich fahre Kurven,
ich breite meine Arme aus,
ja, ich schreie und weine.

Und ich verliere die Kontrolle –
das Rad überschlägt sich,
mein Körper ist einen kurzen Moment lang bodenlos,
ich bin frei von allem Gewicht,
liege im Graben und spüre die Schmerzen,
spüre, daß sich etwas in mir regt.

Ein brauner Dieselwagen hält neben mir an,
und ein Mann, ja, ein Mann, ein Landsmann
jault aus dem heruntergekurbelten Fenster
und –

»Hearst, Deppata, des kummt d’vun, wennst ang’soffa herumfahrst!«

und fährt weiter.