Nina Kossegg (16)

Domani

Eine Nacht, die nie dunkel wird, unten am Strand, wo man zwischen Himmel und Meer schon nicht mehr unterscheiden kann.

In Italien wird es nur sehr langsam dunkel. Lange dauert es, bis die letzten Lichter verloschen sind. Und dann, wenn endlich alles still ist und schläft – beginnt schon die Dämmerung.

Aber noch schläft niemand, kann niemand schlafen, weil hier die Uhren anders gehen, und das Leben einfach weiterhetzt, so, als wäre es die letzte Sommernacht, die schon im Sterben liegt.

Er wirft Steine ins Meer, setzt sich in den Sand und hebt die Sektflasche an die Lippen, die aber längst leer ist. Es war die billigste Flasche im Laden an der Ecke gewesen, obwohl das Etikett vornehm und teuer aussah.

»Ciao a dopo« sagten wir immer zu ihm, oder »ciao a domani«, bis es schließlich kein später und erst recht kein morgen mehr gab.

Er weiß, daß es die letzte Nacht war, für uns, weiß es wohl besser als wir selbst. Seine Augen suchen uns in der Dunkelheit; braune Augen, in die man besser nicht zu lange sieht.

Es wird anders sein, hier, ohne euch, sagt er und braucht mehrere Anläufe, um den Satz über die Lippen zu bringen, weil der Alkohol bereits seine Wirkung getan hat.

Wir beide, die wir nebeneinander auf der Strandliege sitzen, nicken nur dazu, wohl wissend, daß er sich morgen, beim Aufwachen, nicht mehr an unsere Namen erinnern wird, vielleicht an unsere Gesichter, aber nicht an unsere Namen.

Es wird anders sein, für uns, wenn wir je hierher zurückkommen.

Sein Name war uns immer egal gewesen.

Das Gefühl des Kettenkarusellfahrens noch gegenwärtig, fast wie Fliegen, ein bißchen jedenfalls, und das Bedürfnis, ihn zu umarmen, weil er so traurig aussieht. Vielleicht ist es der Sekt, der ihn so melancholisch macht. Vielleicht auch der Abschied.

Er holt aus, die Flasche fliegt durch die Luft, nicht weit, ein paar Meter nur, und landet mit einem weichen Geräusch im Sand.

Gerne würden wir noch etwas sagen, aber da ist nichts mehr, das erwähnenswert wäre. Das Schweigen wird langsam vertraut, der Lärm des Rummelplatzes dringt nicht bis hierher, und manchmal verfällt man dem Glauben, daß es nie einen Rummelplatz gab.

Er hat zu weinen begonnen – also doch nur der Sekt – und wir sehen uns an. Als wir uns dann zunicken, ist es endgültig: Wir gehen jetzt.

Er reagiert nicht, sitzt nur da und weint. Morgen wird er mit Kopfschmerzen aufwachen, Sand im Haar und in den Hosentaschen und auch sonst überall, und, morgen, wird er uns schon fast vergessen haben.

Wir stehen noch vor ihm, nur kurz, ein letzter Blick.

Ciao, sagen wir dann, ciao – und nichts dahinter.

Morgen werden wir zu Hause sein.