Bettina Hübner (19)

 

Nach dem Regen

Fußspuren auf nassem Asphalt
verwaschene Erinnerungen
an einsame Wege
noch traut sich kein Sonnenstrahl
durch die tiefblauen Wolken
aber die Vögel haben schon wieder begonnen
vom Sommer zu singen
ein Boot schaukelt sanft
auf dem endlosen See
doch niemand ist zu sehn
der hinausfahren will
nur eine Gestalt
allein zwischen den Bäumen am Ufer
hinterläßt die ersten Spuren auf dem Asphalt

 

Regen

Ich kann mich nicht konzentrieren, kann nicht schlafen, der Regen, der unaufhörlich gegen das Fenster schlägt, verfolgt mich bis in meine Träume. Ich sitze bei Kerzenschein auf dem blauen Sofa in deiner Wohnung und warte, warte auf dich. Versuche zu lesen, doch die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen, wie die Welt hinter der Scheibe.

Wenn ich aufstehen würde, könnte ich sie rennen sehen, hundert bunte Regenschirme, doch den einen würde ich nicht sehen, den, auf den ich warte. Ich glaube zu wissen, daß du heute abend nicht mehr kommen wirst, aber noch kann ich mich nicht entschließen, die Wohnung zu verlassen, in den Regen zu gehen, der irgendwo in der Stadt auch auf deine Schuhe fällt. Vielleicht aber bist auch du schon längst wieder im Trockenen, in ihrer Wohnung, auf ihrem Sofa.

Als du mir von ihr erzähltest, das erste Mal vor ein paar Tagen, das letzte Mal, wie du mir schworst, hätte ich am liebsten geschrien, denn Tränen haben bei dir noch nie geholfen. Doch ich blieb schweigend auf dem Sofa sitzen und starrte dich nur unverwandt an. Du schlugst die Augen nieder, verließt den Raum, die Wohnung, und ich saß da, wie ich es jetzt auch tue, in Gedanken versunken, auf deinem blauen Sofa.

Eigentlich ist es unser Sofa, denn wir haben es in einem träumerischen Augenblick gemeinsam gekauft, als wir es dort in dem kleinen Schaufenster stehen sahen, bei einem Spaziergang letzten Frühling. Es erinnerte uns an unsere erste Nacht, in dem kleinen Hotel, wo wir anhielten, weil der Regen zu stark war, um weiterzufahren, und das Sofa das Erste war, was wir in der dämmrigen Hotelhalle erblickten.

Nun sitze ich hier allein, die Erinnerungen betrachtend wie alte Fotos aus Sommertagen. Ich möchte gehen, die Tür endgültig hinter mir schließen, dein Lachen vergessen, die Wärme deiner Haut, die Liebe, die uns verband, alles. Vielleicht würdest du es nicht einmal bemerken, wenn ich gehe, dein Blick längst abgewandt, das Lächeln weggewaschen.

Ein Blitz, Donnergrollen, Zeit, sich auf den Weg zu machen, und der Regen wird auch die letzten deiner Erinnerungen fortspülen, bis nichts mehr von uns bleibt, als dieses Sofa.

Langsam erhebe ich mich, die Kerze ist fast heruntergebrannt, blicke mich ein letztes Mal um und trete in den Regen. Ich habe keinen Schirm, und bald rinnt mir das Wasser den Rücken hinab, die nassen Haare hängen in mein Gesicht, und ich kann kaum sehen, wohin meine Füße mich tragen.

Als ich um die Ecke biege, kommt mir eine Gestalt mit deinem Regenschirm entgegen, eine große Tüte in den Händen. Sie geht an mir vorbei, konzentriert darauf bedacht, daß kein Tropfen Wasser das braune Papier durchweicht. Kein Blick nach links oder rechts, so wird das geflüsterte Wort, dein Name vom stetig fallenden Regen verschluckt.