Lisa Holm (14)

Nur eine Nacht

Der Dampf der gleichmäßig aus den Töpfen strömt, verfängt sich in ihren Haaren, wo er kleine Tröpfchen formt. Das Licht der dumpfen Küchenlampe spiegelt sich in ihnen.

Wütend streicht sie sich die schlaffen Strähnen aus dem Gesicht. Viel zu heftig rührt sie um, der Löffel schlägt laut gegen die Topfwände, während sie versucht, den Rauch mit der Hand fortzuschieben. Früher hätte sie geweint, sie hätte sich nicht wehren können gegen den Zorn auf sich, auf ihn.

Wieder einmal kann sie sich dem Sog ihrer eigenen Erinnerung nicht entziehen, muß an eine Zeit denken, die sie niemals vergessen würde. Sie lächelt darüber, daß sie einmal davon geträumt hat, nicht so zu werden wie ihre Mutter, die ihr Leben still, fast verstohlen im Dunst ihrer Küche verbracht hatte.

Eine Träne trifft kaum auf der brav geputzten Herdplatte auf, bevor sie wieder verdampft.

Sie hört sein Schnarchen, und weiß, wie lange sie wach neben ihm im Bett gelegen ist, bevor sie sich daran gewöhnt hatte. Dieses Schnarchen, Ausdruck seiner besitzergreifenden Art, das sie nächtelang ohnmächtig vor Wut ertragen hatte, bis sie endlich eingeschlafen war, nur um schlecht zu träumen. Die Art, wie er ihr den Teller mit dem Essen, das sie für ihn kochte, aus der Hand nahm, kotzte sie an, und doch wollte sie sich nicht wehren.

Verlockend blitzen die Küchenmesser, die sie schon so oft in ihren Händen gehalten hat. Einmal, als er schlief, und sie seine Anwesenheit nicht mehr ertragen konnte, stand sie vor ihm, und das Messer, das sie sich aus der Küche geholt hatte, lag so natürlich in ihrer Hand, als wäre es ein Teil ihres Körpers. Doch sie blieb stehen, in der Finsternis, warf das Messer in die Luft, es drehte sich und funkelte und landete sicher wieder in ihrer Hand, obwohl es finster war um sie.

Nächte konnte sie nicht leiden. Sie hatten nie etwas Gutes für sie bereit, verschlangen nur gierig ihre Träume.

 

In einer Nacht, im Sommer, als die Hitze zum Fenster hereinfloß, war sie wach geblieben, obwohl sie sich schon so lange an sein Schnarchen gewöhnt hatte. Sie sah ihn an, starrte nur mit einem Gedanken im Kopf seinen schlafenden Körper an. Sie dachte: »Dich liebe ich nicht!« Sie murmelte: »Dich habe ich nie geliebt.« Sie hoffte, er hätte es gehört, doch er hatte ihr noch nie zugehört, nicht wirklich. Sie wünschte, sie hätte die Kraft aufzustehen, ohne nachzudenken das Haus zu verlassen, ihn und das Kind. Nein, das Kind! Es konnte nichts dafür, daß sie ihren Mann schon zu lang neben sich im Bett hatte, daß sie nicht an ihn dachte, wenn sie sich nach jemandem sehnte, daß sie ihn beneidete, daß sie sich nach jemandem sehnte, daß sie ihn beneidete, daß er Geld nachhause brachte und so seine Macht ausübte. Es störte sie nicht, daß sie nur eine Selbstverständlichkeit für ihn war, doch daß er ihr damals eingeredet hatte, die Uni zu verlassen, vertiefte ihren Haß ins Bodenlose.

 

»Es ist ein Bub!«

 

Hätte sie sich damals nur freuen können, würde ihr das schlechte Gewissen nicht heute noch Gesellschaft sein. Und sie hätte nicht das Geburtsfoto verbrennen müssen, auf dem ihr gequältes Lächeln zu sehen war, das gleiche Lächeln, das sie hatte, als sie mit ihm und dem Baby in das Haus gezogen ist. Das Haus ist klein und grün gestrichen. Sie haßte es.

Doch sie hat vergessen, durch die Windung der Zeit und der Gewöhnung an Demut und Verlust hat sie vergessen.

Sie lehnt am Herd, paßt so gut zu ihm. Sie trägt ein dunkelblaues Schürzenkleid mit gelben Narzissen darauf. Ihre Beine sind unrasiert, in der Hoffnung, ihn von sich fernzuhalten, und kleine borstige Haare haben sich durch die Strümpfe gekämpft.

Sie beobachtet den Lichtstrahl, der immer weiter wandert. Über den Tisch, zum Regal, in dem es nur billiges Geschirr mit kleinen, aber auffälligen Sprüngen gibt, klettert der Strahl hinauf zur Anrichte. Wenn er den Messerblock erreicht, wird sie sich eines der großen Messer aussuchen. Sie wird sich viel Zeit dabei lassen, wird an den Schnitzeln, die fertig auf einem Teller liegen, ausprobieren, welches das Schärfste ist.

Jetzt steht sie im Flur, ihr Gesicht ist unbewegt, bis auf die Augenwinkel, die heftig zucken. Ihre Sandalen klatschen auf das Linoleum, das Messer folgt ihren Schritten auf der Tapete und hinterläßt eine Rille. Die Tür ist offen, und unter der Decke, nur als atmender Berg erkennbar, liegt er.

Wie eine nerventötende Melodie schwingt sein Schnarchen im Zimmer umher. Sie stimmt ein, in seine Melodie, indem sie immer lauter eine Melodie summt. Verkrampft hebt sie das Messer, das jetzt in der Luft zittert, fast im Takt zu ihrer seltsamen Musik. Ihre Hand, in der das Messer festgewachsen ist, schwebt hoch über ihr, höher über ihm. Doch bald würde es ihm näher sein als sie es ihm je war.

 

Aus der Küche piepst zerschmetternd die Uhr, das Essen ist fertig. Ohne Zögern, als hätte sie nicht gerade versucht, ihre Träume zu rächen, läßt sie ihre Hand und das Messer fallen. Es steckt im Linoleum, schwankt, bevor es umkippt.

Er öffnet seine Augen, blinzelt sie an, aber kann sich zu keinem Lächeln durchringen.

 

»Ich habe gekocht, aber ... es ist noch nicht ganz fertig!«

 

säuselt sie, während sie das Messer aufhebt und leise zurück in die Küche geht.