Marlene Happacher (16)

Der Bote

Er steht dort, leer, unbenutzt.

Ein Stuhl eben.

Manchmal ist er im Weg.

Dann schiebe ich ihn beiseite, beispielsweise wenn ich das Gedeck auflege.

Danach stelle ich ihn trotzdem wieder hin, ordentlich, immer so wie er war, gerade an den Tisch.

Wir setzten uns alle hin, essen, schweigen und starren, vornehmlich auf den Stuhl.

Er ist mir unangenehm, einsam, wie er dasteht, und ich merke: Irgendetwas fehlt.

Jeder merkt es, der mit uns isst.

Ich sehe es ihnen an in den bleichen, verlegenen Gesichtern. Und sie wissen, dass ich es ihnen ansehe.

Es ist stets eine seltsame Situation, spannungsgeladen und irgendwie unsinnig.

Doch das macht mir nichts mehr aus.

Man kann sich an alles gewöhnen.

Meistens gelingt es mir sogar zu übersehen, den Stuhl und die Gesichter,

aber eben –

nicht immer.

Er kommt mir vor wie ein Bote, dieser Stuhl, zeigt mir die Leere, die du hinterlassen hast und ich merke:

Du fehlst an allen Ecken und Enden.

Ich denke an einen Satz, den ich irgendwann gehört habe, und ich weiß

es ist wahr:

Geblieben ist die Leere und der Platz neben mir.