Johanna Baumgartner (15)

Warten auf ihn

Manuela ist pünktlich wie immer. Aber Martin – er hat schon zehn Minuten Verspätung – und Manuela wird langsam unruhig. Sie fängt an, an ihren langen, blau lackierten Fingernägeln zu kauen. Als ihr klar wird, was sie macht, zieht sie schnell die Finger aus dem Mund. Nun sitzt sie da, ganz allein auf einer Bank, die Hände verschränkt und die Beine übereinander geschlagen. Ihr Herz schlägt immer schneller, vor Angst, daß er nicht mehr kommt. Sie zieht einen Bleistift hervor und kritzelt immer Wieder seinen Namen auf ihre Hose. Dabei denkt sie daran, wie sie sich kennenlernten und wie viele schöne Stunden, sie miteinander verbracht haben.

Es war ein warmer Sommertag. Sie und ihre Freundin gingen ins Schwimmbad. Als sie sich gemütlich in die Sonne legten, kam Martin mit seinem Freund, und sie legten sich in die Nähe der beiden Mädchen. Martin zog seinen Freund hoch, holte einen Ball und fing an mit ihm Volleyball zu spielen. Er schrie: "Komm, ich zeig dir einmal einen super Aufschlag!"

Mit voller Wucht schlug er den Ball weg. Dieser flog im hohen Bogen und landete auf Manuelas Kopf. Schnell lief er zu ihr und entschuldigte sich. Er lächelte sie an und fragte nach ihrem Namen.

Immer wieder ließ sie ihren Blick über den Park schweifen; ihre Gedanken ganz auf Martin gerichtet.

Oft trafen sie sich und gingen gemeinsam schwimmen, in Discos, oder aßen ihr Lieblingseis zusammen. Am schönsten war es aber, wenn sie in seinen Armen lag und sich dort geborgen fühlte. Sie weiß noch genau, wenn sie in der Nähe von Martin stand, konnte sie nicht mehr klar denken. Ihre Hände wurden feucht, ihr Gesicht blaß, und in ihrem Magen krabbelten hundert Käfer herum.

Gelangweilt sieht sie auf die Uhr. Es ist schon 9:20 Uhr. Manuela denkt sich Gründe aus, warum er zu spät kommt. Ihre Hände durchwühlen ihre Tasche. Sie findet ein Geschenk von Martin, eine kleine Stoffmaus, in der Hand ein Schild: "Ich liebe dich!" liest sie leise vor.

Jetzt wartet sie schon eine halbe Stunde auf ihn. Sie hält es nicht länger aus.

Manuela spürt Schmerz und gleichzeitig Haß. Haß, weil er nicht kommt. Wie kann man aber jemanden hassen, wenn man ihn liebt? Das Mädchen liebt einen Jungen, der sie alleine gelassen hat, den sie vielleicht nie wiedersehen wird. Langsam erhebt sich Manuela und geht mit Tränen in den Augen und gesenktem Kopf nach Hause.

Die Stoffmaus hat sie liegengelassen. Vielleicht kommt er doch noch und findet sie, vielleicht auch nicht.