Luisa Anna Slezak (15)

Billy

Billy hielt den Atem an.

Er brauchte sie nicht, die Luft. Er brauchte sie nicht. Sie würde schon sehen, wo sie bliebe.

Er starrte gen Himmel, die Augen auf der Suche nach etwas Hellem, vielleicht einem Stern. Genau wusste er das nicht.

Sein Kopf wurde schwer. Er spürte ein Pochen, das immer stärker gegen seine Schläfe hämmerte.

Ein Pochen, das ihn zum Aufgeben bringen wollte.

Seine Brust zog sich zusammen. Er sah zu Boden.

Mit den Schuhen stand er im Matsch.

Herbstlaub, halb verrottet und Erde, aufgeweicht vom Regen.

Billy wollte lachen.

Seine Haare waren nass, klebten über den Lippen. Er zog sie mit der Zunge in seinen Mund, sog daran und schmeckte das Wasser. Kalt war es und gut. Ein bisschen seifig.

Hinter ihm ein Schatten im Mondlicht. Jemand legte die Hand auf seine Schulter.

Billy drehte sich um.

»Es friert bald«, sagte der Mann und versuchte, ihm ins Gesicht zu schauen. »Keine einzige Wolke am Himmel.«

Billy wandte sich ab, spürte, wie die Hand an seiner Schulter hinabrutschte, und atmete aus. Seine Brust schmerzte einen Moment lang, dann war es vorbei.

»Du hast mich einmal gefragt, warum man den Mond am Morgen manchmal sieht, die Sterne aber nie, weißt du noch?« Der Mann trat näher an ihn heran. »Billy, weißt du das noch?«

Billy wusste es noch.

Er biss sich auf die Lippe. »Du hast mir keine Antwort gegeben«, meinte er.

Der Mann nickte kaum merklich. »Ich habe gesagt, die Sonne würde sie überstrahlen.«

»Aber du warst dir nicht sicher.«

»Nein.«

Sie schwiegen, blickten aneinander vorbei.

»Ich habe dir dann eine Geschichte erzählt, weißt du noch?«, fragte der Mann schließlich. »Billy, weißt du das noch?«

Billy wusste es noch. »Sie hatte kein Ende.«

»Nein.«

»Und einen Titel auch nicht.«

Der Mann wollte seine Hand nehmen. Billy zog sie weg.

»Komm heim«, sagte der Mann. »Komm heim. Es friert bald.«

Er drehte sich um, stieg die kleine Anhöhe zur Straße hinauf und wartete.

Billy ging rückwärts, sah, wie sich der schwarze Himmel als Linie vom dunkleren Wald abhob, spürte die Kälte an seiner Haut, die Steine unter den Schuhen, wandte den Kopf und erkannte nur die Silhouette des Mannes, der dort oben stand.

Die Luft war feucht, roch ein wenig nach Laub und Kastanien. Billy zog die Jacke enger.

Der Mann nahm seinen Arm, half ihm das letzte Stück zur Straße hinauf.

Billy sagte kein Wort.

Der Mann, der nun neben ihm herging, sagte auch keines.

In der Ferne leuchtete etwas. Billy senkte den Blick.

»Weißt du noch, was ich dir über Kälte gesagt habe?« Der Mann sah auf ihn hinab. »Billy, weißt du das noch?«

Billy wusste es noch.

»Man darf nicht draußen einschlafen, wenn es kalt ist.«

»Ja«, sagte der Mann. »Hättest du heute Nacht hier geschlafen?«

»Vielleicht«, sagte Billy. »Aber ich weiß nicht. Es fällt bald Schnee.«

Der Mann nickte. »Wärst du denn heimgekommen?«

»Weiß ich auch nicht. Vielleicht wäre ich wach geblieben.«