Marie Gamillscheg (15)

Violette Nacht

»Es tut mir Leid«, sagt er und holt seine Zigaretten aus der Hosentasche.

Sie steht am Rande der Terrasse und blickt in den Garten.

Einige abgefallene Blütenblätter liegen unter dem Kirschbaum auf dem englischen Rasen. Rosenbüsche säumen die asphaltierte Autoeinfahrt.

Die Straßenlaternen werfen ein orangefarbenes Licht auf die Straße.

»Ich habe das nicht so gemeint«, sagt er und sucht in seinen Taschen nach einem Feuerzeug.

»Hast du das Feuer?«

Sie holt ihr Päckchen Zündhölzer heraus und wirft es ihm hin.

Er fasst danach, doch es fällt auf den Boden, er bückt sich und zündet sich eine Zigarette an.

»Danke«, sagt er und hält ihr die Zünder wieder entgegen.

Sie lehnt nun am Geländer der Terrasse und nimmt einen kräftigen Zug an ihrer Zigarette, bläst den Rauch zur Seite weg und sieht wieder in den Garten.

Er legt das Päckchen auf den Tisch, der gleich neben dem Terrasseneingang steht.

»Es tut mir wirklich Leid«, wiederholt er.

Er geht zum Rand der Terrasse und stützt sich entfernt von ihr auf das Geländer und sieht über die Hecke auf die Straße. In einem roten Auto fährt eine Frau vorbei. Als die Lampen ausgeschaltet werden und die Ampeln wieder funktionieren, bemerkt er, dass es langsam hell wird.

»Der Himmel sieht richtig violett aus«, sagt er.

In der Dämmerung leuchten die Wolken und tauchen die Terrasse in ein eigentümliches Licht.

Jenseits der Straße kann er sehen, wie sich bei den Nachbarn das erste Sonnenlicht in den Scheiben der großen Balkontüren spiegelt und eine aufblasbare Plastikente über die Oberfläche des Schwimmbades treibt.

»Du hättest das nicht sagen dürfen«, sagt sie und sieht ihn immer noch nicht an.

Er beobachtet sie, wie sie dem Rauch nachsieht, den sie gerade noch ausgestoßen hat und der nun langsam im Morgen verschwindet.

»Es tut mir Leid«, sagt er, »das habe ich doch schon einmal gesagt.«


Sie richtet sich kurz auf und streicht sich mit der Hand über den Bauch, sie spürt nichts. Sie dreht sich um.

»Du willst es nicht«, sagt sie.

Obwohl die andere Zigarette noch gar nicht abgebrannt ist, sucht sie bereits nach einer Neuen, doch die Packung ist schon leer. Sie dreht sie nervös in ihrer Hand und lässt schließlich die leere Packung in den Garten fallen. Sie landet in einem der Rosenbüsche.

Er dreht sich um und betrachtet die zwei Weingläser, die auf dem Tisch auf der Terrasse stehen, sie sind noch halb voll.

»Wie soll das denn gehen? Außerdem haben wir ja keine Zeit.«

»Wir haben doch alles, was wir brauchen«, sagt sie.

»Aber darum geht’s doch gar nicht.«

Er will ihre Hand nehmen, doch sie weicht aus, geht zum Tisch und stützt sich dort mit einer Hand ab.

»Es geht dir doch nur um dich«, sagt sie und nimmt wieder einen Zug, diesmal bläst sie den Rauch jedoch in seine Richtung.

Sie schwenkt das Glas kurz und nimmt einen kräftigen Schluck, zieht noch ein letztes Mal an ihrer Zigarette und löscht sie dann in seinem Weinglas. »Du warst schon immer feige.«

Sie steigt wieder über die kleine Stufe von der Terrasse in das Wohnzimmer und holt ihre Jacke.

»Ich bin nur realistisch!«, ruft er ihr nach, »Und außerdem solltest du in deinem Zustand besser nicht so viel rauchen!«


Sie kommt wieder und zieht ihre Jacke zu.

»Ich gehe Zigaretten holen«, sagt sie und verlässt die Terrasse wieder.

Das Licht der aufgehenden Morgensonne schmerzt in seine Augen, er schließt sie und kann hören, wie die Tür hinter ihr ins Schloss fällt. Die Vögel beginnen unerträglich zu zwitschern, und auch erste Autos tauchen langsam wieder auf der Straße auf.

Sie geht die Einfahrt hinunter und tritt auf die Straße, er hört nur mehr das Klappern ihrer Schuhe auf dem Asphalt.