Maria Evans-von Krbek (20)

Nach der ersten Nacht

Seitdem war ich nicht mehr auf unserem Hochsitz. Du musst die Leiter weggestoßen haben, als du oben warst, haben die Polizisten gesagt.

Dort oben hattest du mir gesagt, du müsstest immer an mich denken. Ich hatte mich nicht getraut, dir zu sagen, dass ich das schon einmal gehört hatte.

»Und was machst du, wenn du nicht an mich denkst?«, habe ich dich stattdessen gefragt.

»Nichts.«

Wir haben uns immer nur am Tag gesehen. Vielleicht war das der Fehler, dass wir nicht früher angefangen haben, die Nacht zu teilen. Oder dass wir überhaupt angefangen haben. Womöglich wolltest du in Wirklichkeit ein Jäger im Dunkeln sein, nicht tagsüber mit mir auf den Hochsitz klettern.

Du hast auch gesagt, Schlaf wäre Zeitverschwendung in meiner Gegenwart. Das fand ich seltsam, als könnte ich deine Träume ersetzen. Da dachte ich, dass du mich wirklich mögen musst, sonst hättest du keine Angst, mich nur geträumt zu haben.

In der Enge hast du immer im Schneidersitz gesessen, und unsere Zigarette manchmal mit den Zehen gehalten. Meistens haben wir uns eine geteilt. Während mein Kopf in deinem Schoß lag, fühlte sich dein Körper wirklicher an als das Holz unter mir. Später hast du mir das kleine braune Fläschchen unter die Nase gehalten, und wenn ich daran roch, wurde sogar dein Körper unwirklich; ich konnte ihn nur noch bruchstückhaft spüren.

Heute kann ich mich nur noch an das Zittern deiner Knie erinnern.

Als du die Leiter weggestoßen hast, müssen sie genauso gezittert haben, wie auch in dem Moment, als du mich gefragt hattest, ob wir ein Zimmer nehmen wollten zusammen für eine Nacht.

Am Morgen danach hast du mir gegenüber gestanden. Dein Schatten stieß sich an der Decke des Hotelzimmers. Ich bin ganz nah vor dich getreten, habe meine Hände auf deine Schultern gelegt. Mit meinen nackten Füßen stieg ich auf deine.

Da musste ich dann wieder hinunter von deinen Füßen. Du hattest nicht verstanden, dass es zuwenig ist, das Gleichgewicht nicht unter dem anderen zu verlieren.

 

»Ich kann nicht«, habe ich gesagt.

»Doch, du könntest.«

»Nein.«

Dabei konnte ich dich schon nicht mehr ansehen. Du hast uns einen Schnaps eingegossen in die Gläser, aus denen wir am Abend schon getrunken hatten. Dazu hast du mir das kleine braune Fläschchen gereicht, den Verschluss unter meiner Nase abgeschraubt. An diese Geste gewöhnt, atmete ich ein. Aber der Schnaps war warm geworden und das Zimmer kalt, und die Kälte der Luft roch nach Lösungsmittel. In dein Gehirn ist wohl die ersehnte Hitzewelle gestiegen; bei mir hat es nicht mehr gereicht.

Als ich das Zimmer verließ, krümmte sich dein Schatten am Boden. Ich konnte es durch die geschlossene Tür sehen.

»Wenn du tust, wovon du träumst, sollst du leise sein«, hast du gesagt und du hast dich daran gehalten. Die Leiter hat wohl kaum ein Geräusch gemacht, als sie auf das Gras der Lichtung fiel.