Annika Maren Högner (17)

ein mann

ein mann liegt in seinem zimmer. er hört seinen atem, sonst nichts. es ist dunkel, kalt, besonders der boden aus glattem stein. der mann ist nackt, muss pinkeln. er liegt in der mitte des raumes, das waschbecken ist an der wand. er steht vorsichtig auf. die decke ist hoch genug, zu hoch sogar für den mann, um sie zu erreichen. dennoch bewegt er sich geduckt. hinterher trinkt er noch etwas wasser aus dem hahn.

er legt sich wieder hin. er atmet. er schläft. hat hunger. er steht wieder auf, tastet sich zu dem waschbecken vor. dagegen hilft auch wasser nicht. er legt sich wieder hin, die knie an die brust gezogen zusammengekrümmt.

benommen. er hört ein geräusch fließenden wassers. leise. es muss ihn geweckt haben. der mann kennt keinen laut, der nicht vom hahn oder von ihm selbst kommt. er setzt sich auf. seine haut ist rau vom liegen, aufgeschürft, sein magen schmerzt. er kann das wasser doch nicht angelassen haben. tastet nach dem waschbecken. der hahn ist zu. der mann hat durst, will aber selbst keinen lärm verursachen, bevor er nicht die quelle des geräusches gefunden hat. er merkt, dass es aus der gegenüberliegenden seite des raumes kommen muss. er tastet sich hinüber, er lauscht an der wand. es ist gedämpft, scheint außerhalb des zimmers zu sein.

dass da noch etwas ist. er versucht sich zu erinnern, doch er ist sich sicher, nicht gewusst zu haben, dass da noch etwas ist. das rauschen klingt wie von einem großen wasserhahn. wenn da drüben jemand ist. der mann merkt, dass er stinkt, er kratzt sich.

er zieht sich von der wand zurück, kauert sich unter dem waschbecken zusammen. er hält die luft an, um zu hören, ob sich etwas ändert an dem geräusch, beginnt schließlich an seinen fingernägeln zu kauen.

er versucht sich vorzustellen, was auf der anderen seite ist. es könnte warm sein hinter der wand, jemand könnte sein da drüben, der warm ist. und etwas zu essen. er kratzt sich.

der mann kriecht wieder an die wand heran. er klopft. er wartet, er klopft. er versucht mit den fingern an der wand zu schaben. er hat keine nägel dafür, er rutscht ab.

jetzt kann er die tapete abziehen. mit den zähnen hat er ein loch gemacht. näher an das geräusch. er weicht zurück, hält das abgerissene stück tapete in der hand, lauscht. nachdem er getrunken hat, beginnt er langsam, die tapete abzuziehen. ein fetzen. noch ein fetzen und er beginnt zu reissen. er muss sich beeilen, bevor es verschwindet, das geräusch, nicht dass es aufhört, die wärme, das essen. in fetzen reisst er die tapete herunter, die wand nun nackt wie er, aber hart. er klopft und hämmert und tritt. kein durchkommen. er kratzt. schmerzen. er beisst, kalk, er spuckt und trinkt wasser, atmet, steht still. vor der nackten wand steht er aufrecht, er streckt sich, er klopft. es muss einen weg geben auf die andere seite zu gelangen.

es gibt hier im zimmer nur das waschbecken und den wasserhahn. der mann geht hinüber, tastet den hahn ab, spürt die kühle, glatte oberfläche in seiner hand. er schließt sie fest um den hahn und beginnt zu biegen und zu zerren. er muss beide hände nehmen. sein gesicht fühlt sich heiß an, als er endlich den hahn in der hand hält, das wassser schießt über den beckenrand hinaus. er muss sich beeilen. er geht zu der nackten stelle der wand. er schabt mit dem hahn. er kratzt und schlägt, es bröckelt. es geht nicht richtig voran, der hahn ist zu stumpf. der mann schlägt auf die wand ein, atmet schwer, versucht es weiter. er kommt nicht voran. die wärme der anderen seite spürt er nicht, noch immer hört er das wasser, doch bestimmt bricht es bald ab das geräusch und sein hahn ist kaputt und außerhalb ist nichts mehr und wasser füllt das zimmer, dieses wasser ist kalt. drüben wird es warm sein, bestimmt. die geräusche vermischen sich.

als er nun eingesehen hat, dass er mit dem hahn nicht vorankommen wird, beschließt er, das waschbecken zu nutzen. er braucht etwas spitzes, womit er sich durch die wand kratzen kann, er braucht zacken, schärfe. mit dem hahn setzt er einen gezielten schlag auf das waschbecken an, schlägt tatsächlich splitter ab. sie rutschen in das becken hinein, springen durch den raum. der mann schlägt noch zwei mal zu, um größere scherben zu lösen, es gelingt ihm, er sammelt sie ein. dabei schneidet er sich in den finger, lässt sich nur kurz ablenken davon. mit der größten der scherben, die eine gute scharfe kante hat, setzt er in brusthöhe an die wand zu durchschaben.

nach einiger zeit fangen die scherben an weiter zu splittern und bröckeln mit der wand auf den boden hinab. der mann hat bereits mehrere davon im fuß stecken. er blutet, der boden klebt ein wenig. außerdem verteilt sich auch das langsam im raum, es kühlt ihm die sohlen. er steht in einer brühe aus blut wasser wand, lauscht zwischendurch und schabt weiter.

ein loch, etwa so groß wie der kopf des mannes, zeichnet sich langsam ab. er tastet nach den rändern, es ist bereits so tief wie sein ausgestreckter daumen. um nicht neue scherben aus dem becken schlagen zu müssen, versucht er es wieder mit dem hahn. er schlägt und kratzt, auch der hahn zeigt nun wirkung. der mann bricht brocken aus der wand, es geht schneller. er holt nun doch neue scherben vom becken, das wasser steht ihm schon knöcheltief. mit scherbe und hahn arbeitet er nun gleichzeitig, benutzt beide hände. noch hält das geräusch an. er kommt ihm nicht näher, hat er das gefühl, es klingt immer noch dumpf und entfernt.

müdigkeit gibt es nicht. gleich könnte alles zu ende sein. seine hand passt ausgestreckt in das loch, wenn er klopft klingt es hohl. außerdem kann er sich in der brühe kaum setzen, die spitzen splitter und klumpen darin haben ihn bereits mehrfach verletzt. er schabt weiter und schlägt, schwitzt und atmet schwer, er muss endlich hinüber, sein magen schmerzt. die kälte. der hunger.

das halbe waschbecken hat er abgebrochen. die brühe ist knietief, der mann nass auch vom schweiß, und endlich bricht er durch das loch. der hahn hängt fest. der mann zerrt. er durchstößt den rest mit der faust. er riecht nichts neues, nur kalk und schweiß, tastet staub. er zieht sich zurück, sieht hinein in das loch, es ist dunkel. das geräusch jedoch ist deutlich geworden, es muss gleich dort sein. der mann lässt den hahn drüben zu boden fallen. er kommt nicht auf mit einem schlag, sondern klatschend in wasser.

der mann steigt in den anderen raum. der boden ist knietief mit wasser bedeckt. der mann tastet sich durch das zimmer. gegenüber ist ein waschbecken, ihm fehlt der hahn. keine wärme. kein jemand.

der mann setzt sich auf den boden in die brühe aus wasser und wand. er friert. er hört seinen atem.