Selina Bruderer (14)

Unabwendbar

Sie spürt den kalten Stahl auf ihrer Hand. Unnachgiebig dringt er in ihr Fleisch. Sie will schreien, will es verhindern. Doch kein Laut verlässt ihren Mund. Alles vorbei, endlich. Nun gibt’s kein zurück. Kurzes Gastspiel auf der Erde, du bist beendet.

Mutig wollte sie sein. Sie war keins von diesen Weicheiern, was sie sagte, tat sie auch. Gut hat sie sich gefühlt. Zuerst. Sie hatte es gewagt. Richtig stolz war sie, als das Messer ihre Adern aufschnitt.

Sie friert. Hilflos liegt sie da. Es wird nicht wieder besser werden. Niemals. Sie weiss es. Der Stolz ist vergangen, das Unabwendbare nimmt seinen Lauf.

Tränen laufen ihr übers Gesicht. Sie merkt es nicht.

Blut tropft läuft auf ihr Kleid, vermischt sich mit den Tränen, färbt die lustigen Schmetterlinge auf ihrem Kleid rot.

Entsetzt drückt sie sich die Hand auf die klaffende Wunde. So hatte sie sich das Sterben nicht vorgestellt.

Langsam kriechen die ersten Sonnenstrahlen über die Berge. Sie kann es spüren im Gesicht. Die Vögel zwitschern fröhlich zu dem schrecklichen Geschehen.

Sie schliesst die Augen, saugt gierig die Luft in ihre Lungen.

Jetzt will sie nur noch leben, überleben. Doch es ist zu spät.

Die Kälte raubt ihre Gedanken, sie spielt mit ihr, wie eine Katze mit einer Maus. Hilflos wie ein Säugling liegt sie da: »Es tut mir leid«, flüstert sie noch.