Thomas Bayer (17)

Jagd

Der Lärm der Straße weckte ihn: Geklapper von Pferdehufen, Gewieher und Geschnaube, Stimmengewirr, übertönt vom Heisergeschrei alter Weiber. Sein Mund war trocken, seine Augen blutunterlaufen. Er setzte sich auf, hatte den Oberkörper nach vorne gebeugt. Sein Rücken war krumm. Müde atmete er. Ein unmerklicher Windstoß ließ die Vorhänge beiseite huschen. Licht schien von draußen auf den Trunkenen. Seine Augen weiteten sich für einen Moment. Dann presste er seine Lider zusammen, sperrte das Licht aus. Er riss den Kopf zurück. Die Arme schnellten aus seinem Schoß hinauf zu seinem Kopf. Er schrie. Erwachen.

Er war aufgesprungen, hatte die Vorhänge zugezogen. Keuchend stützte er sich auf einen Stuhl. Er stöhnte, packte den Stuhl, schmetterte ihn gegen die kalkweiße Wand. Das Blut rauschte ihm durch den Kopf. Er sank auf die Knie, presste seine Handflächen gegen die Schläfen.

Dann beruhigte er sich, mit tiefen, gleichmäßigen Atemzügen. Er streckte seinen Arm nach der Türe aus. Durst.

Brauner Dunst hing über den Dächern und senkte sich bis in die gewundenen Gassen hinab. Den Kragen seines Leinenhemdes hatte er ins Gesicht hinaufgezogen. Geduckt schlich er die Häuserwände entlang. Aus den Augenwinkeln spionierte er. Menschen gingen vorüber: Männer mit Schubkarren, Frauen mit Körben und Kindern an den Händen. Und ein Mädchen. Streifzug.

Sie trug einen Tonkrug unter dem Arm und mühte sich. Er beobachtete sie und ihre Bewegungen reizten ihn. Er war durstig. Im Straßengewirr folgte er ihr.

Der Tag verging. Dämmerlicht. Feurig leuchtete die Fassade des Hauses. Er ließ seinen Blick nicht von der schmalen Türe ab, durch die die junge Frau den Bau betreten hatte.

Er schwitzte, verschränkte die Arme, drückte sich gegen eine Mauer. Seine Ruhe wurde von Keuchen und Zittern vertrieben. Er biss sich auf die Lippen, schlug mit seinem Hinterkopf gegen den Stein und wartete. Lauer.

Sie öffnete das Tor. Sich umblickend, trat sie auf die Straße. Sie ging und verschwand schließlich in einer Sackgasse. Dort stank es nach Urin. Er folgte.

Staub wirbelte. Er wurde herumgerissen, zu Boden gedrückt. Er strampelte, fluchte, erschöpfte sich. Gedämpftes Schnauben spürte er nahe seinem Hals. Er blickte in ein Paar heller Augen. Und er erkannte, was er war. Beute.