Stine Wetzel (17)

im schnee schläft das schaf

Das Schaf zittert, klappert mit den Zähnen.

Es ist kalt, nicht gut im Schnee zu schlafen. Lass es dir gesagt sein, Blöker.

Und gesprochen, ganz leise und eiskalt-klar, sind es Mariusz und ich:

Unser Zusammensein ist zum Scheitern verurteilt, da er wie ich weggehen muss.

Nicht hintereinander her, leider. Doch wird das Leiden vergehen, es ist nicht von Dauer, nur ein wenig traurig in den Momenten, die Ameisen weinen machen könnten,
wenn sie ihre toten Artgenossen davon tragen,
dies hoffentlich ein Leben lang, unser(e) Leben lang.

Zunächst die alten Gedanken aufleben lassen und tausend Küsse ernten oder mehr,
vielleicht auch schüchtern einander angucken,
zufällige Berührungen, die uns doch nicht zufallen einfach so.

Und die Augenblicke, die auch, um sie weg zu tragen ins Meer
und darauf euphorisch Wellen zu reiten. Weggehen und wegtragen.

Bald trage ich es auch weg in meines Lebens Fortsetzung, es ist nicht einmal angeschrieben.

Die Portionen Glück oder wie man es auslegt, zum Scheitern verurteilt. Das Glas ist halb voll und im Grunde endet es nicht einmal, gar nicht.

Ich möchte fliegen in einem Flugzeug durch die Wolken (hoch und runter),
weiß der Himmel wohin. Ich bin eine schlechte Beobachterin, verliere irgendwann die Spur, denke mir auch die Tränen in die Ameisenaugen hinein.

Andy Warhol sagt, wahre Liebe ist, gemeinsam unter einer Bettdecke zu liegen,
nicht miteinander zu schlafen, sondern einander Witze zu erzählen.

Das klingt schön, meine ich, wir sollten uns vorerst nicht küssen, sagt er
und ich bin mir sicher: Die, die unter der Bettdecke liegen,
leben auch nicht lustig asketisch den ganzen Tag, und in der Nacht ohnehin nicht.

Sehnsucht nach Nähe, seinem Geruch, seinen Händen. Ich fühle Angst, es falsch zu machen, bewusst ihn zu riechen und mich ertappen zu lassen von einem Blick,
der auch hätte anders sein können.

Wir schauen uns an, einander in die Augen oder was. Ja, an was denkst du in diesem Moment. An das gleiche wie du. Jedenfalls fallen deine Blicke des Öfteren auf meine Lippen.

Folgend neue Situationen, vor die er mich stellt.

Würde ich mich gern einklinken in seine Utopie von der Liebe Leben,
doch bevor ihn Gefühle ein stückweit umherspülen, denkt er sich hinaus,
betrachtet die Dinge von oben und sie haben keine Bedeutung mehr.

Es vergeht viel Zeit, in der wir nicht gut zueinander sind und einmal sitzen wir vor der Haustür, ich, die sich um ihn bemüht und er, der sich um sich bemüht
und Freiheit mit Egoismus verwechselt. Ein bisschen ist es so,
als läge es im Koma und dann wacht es auf und entscheidet sich doch zu sterben, oder nicht.

Zweimal geatmet und geschaut, wir leben,
der Allwissende, der auf dem Mond sitzt und uns beobachtet, lacht uns nicht aus.

Irgendwie muss man ja auf den Weg kommen oder abkommen, je nachdem, was zählt.

Ich sitze zwischen den Stühlen, in den Momenten, in denen ich mich setzen mag.

Du warst der Frosch, in der Verwandlung, die gelbe Gerbera welkt und ich bereue es fast.

Das ist traurig. Eine sehr traurige Geschichte,
die meine Oma vielleicht nie hätte erzählen sollen.

Eventualitäten, so lange du ehrlich bist, ist alles in Ordnung,
habe ich gesagt, erinnerst du dich, dann hast du die Dinge anders gehalten.

Traurig. Jeder hat, was er hat und da muss er mit durch,
sagt meine Oma mit nur Anderthalbbeinen,
gestern hatte sie noch beide und ich eine schöne Zeit.

So etwas geht schneller als man denkt, sagen die Eltern und sind nicht die einzigen dabei.

Sie reden alle, überall und viel zu viel:

Schmücke dich nicht länger, Frosch, Prachtkerl des Unterhauses,
wo die Mäuschen vergnügt quieken, die Würfel fallen zusammen und sie reden und reden,
hören einfach nicht auf. Ich habe es schon lange aufgegeben,
an den Rädern der jeweils besprochenen Themen drehen zu wollen.

Oma muss nicht ins Altersheim, wenn sie nicht mag,
die Eltern sollen sich scheiden lassen, wenn sie mögen,
der Onkel muss aufhören zu trinken, auch wenn er nicht mag,
wie euch beliebt, die Regeln werden anders gebacken.

Das Leben spielt für dich, nur musst du wollen. Wie beruhigend.

Ich will eine Rotzgöre sein, nicht traurig über die Räder,
an denen ich nichts mehr zu rühren weiß, mein Bauch gebläht
mit dem Gefühl, aus den gewohnten Gefilden zu fahren hinaus in die Welt,
nach Malmö, das ist in Schweden, nach Warschau, das ist in Polen,
nach Paris, das ist in Frankreich und nach La Rochelle, auch in Frankreich.

Rotzgöre auf Reisen. Nur dann und wann rotzig.

Viele Gesichter, die ich hab, wenn ich davonrolle im Nachtzug
Richtung Westen, Süden, Osten,
wo das Zuhause-Gesicht, jenes das dem Alltag gerecht wird, entgleist.

Im Norden waren meine Gesichter auch, ab in die Kälte, dachte ich mir,
mich frieren machen, mit den Zähnen klappern, im Schnee schlafen.

Und gesprochen ganz leise und eiskalt-klar: Das waren wir (einmal).