Nada Dzubur (15)

Das Kleid

Die dichtgedrängten, dunkelgrünen Blätter an den Bäumen des Stadtparks boten Schatten und Abkühlung an diesem warmen Sommertag. Katrin hatte sich auf einer Bank niedergelassen und beobachtete ihre Kleine.

Sarah saß auf der Schaukel. Ihr rötlicher Pagenkopf war ganz verwuschelt und ihre smaragdgrünen Mandelaugen glänzten. Ihr Gesicht war blass. Sie trug ihr weißes Lieblingskleid mit den roten, zierenden Blümchen. Vor einem Jahr hatte es noch ganz gut ausgesehen, doch mittlerweile waren ihr die Ärmel zu kurz und das Weiß hatte einen komischen Gelbstich angenommen. Vor einer Weile hatte sie es wieder hervorgekramt und jetzt trug sie es ziemlich oft.

Erinnerungen waren damit verbunden. Ihr letzter Geburtstag, oder das Osterfest bei den Großeltern.

Wie ein Engel, dachte Katrin, als sie ihre kleine Tochter so ansah. Wie heiter sie doch war! So voller Energie und Leben. Wie ein ganz normales Kind. Sarahs Anblick tat ihr weh.

Wie viel Zeit blieb wohl noch? Zwei bis drei Monate hatten die Ärzte gesagt. Je nachdem wie der Tumor sich entwickelte. Katrin hatte Angst. Angst um Sarah. Angst um sich. Was sie nur ohne sie machen würde. Doch Sarah schien keine Angst zu haben. »Mein kleines Mädchen«, seufzte Katrin, als Sarah von der Schaukel sprang. Sarah rannte um die veralteten, rostigen Gerüste. Dann kam sie auf ihre Mutter zu und begann sich im Kreis um sich selbst zu drehen. Der Stoff des Kleides flatterte und die roten Blümchen verschwanden vor Katrins Augen. Sie entwickelten sich zu einem verschwommenen Rosa.

Plötzlich wurde der Kleinen schlecht. Sie fasste sich auf die Stirn und ließ sich auf Katrins Schoß fallen. »Mama, es tut so weh!« Katrin umarmte ihre Tochter.

Unter anderem auch, um ihre Tränen zu verbergen. Sarahs zierlicher Körper fühlte sich kühl an. Auf einmal hob die Kleine ihren Kopf. Ihre Kulleraugen blickten erwartungsvoll die Mutter an. Sarah zögerte und sagte dann in ernstem Ton: »Mama, wenn ich sterbe, will ich in diesem Kleid begraben werden.«

Ihre Worte trafen Katrin. Das Kind aber schien auf irgendeine Art und Weise ihre Gefühle zu verstehen. Es ergriff Katrins Hand. Das gab der Mutter ein beruhigendes Gefühl. Schließlich sagte Sarah: »Damit du mich auch ja wiederfindest, wenn du zu mir in den Himmel kommst!«