Michael Wörister (18)

Selbstredend

»Ich glaube, man muss ein bisschen ruhiger werden, wenn man älter wird. Ich meine, es hatte schon immer seinen Reiz, früher, als wir beide zusammen auf den Demonstrationen waren. Ein wenig Revolutionär spielen, ein wenig am System rütteln, den Mächtigen die Stirn bieten … Nein, ich erinnere mich schon gerne an diese Zeit. Aber im Nachhinein betrachtet, war das ja doch nur jugendlicher Übermut. Als wir noch Studenten waren, da gehörte das einfach dazu.

Jetzt ist das anders. Irgendwann muss man sich eben arrangieren, ein bisschen realistischer werden. Dieser ganze Idealismus bringt ja doch nichts. Und sei doch mal ehrlich: Man kann ja ohnehin nichts erreichen, nichts durchsetzen, vor allem nicht als Einzelner. Es ist ja schön und gut, wenn du immer noch versuchst, die Welt zu verbessern, aber das führt zu nichts, im Endeffekt. Außerdem könnte ich mir das jetzt gar nicht mehr leisten, immer auf Kriegsfuß mit allem Ungerechten. Meine Lebensumstände haben sich geändert: Ich habe ein Haus, ich muss eine Familie erhalten … Verstehst du, ich habe etwas zu verlieren. Da werden meine kleinen Probleme wichtiger als die großen Probleme der Welt, die du bekämpfst.

Und ich muss sagen, es gefällt mir ganz gut, wie ich jetzt lebe. Es ist ruhig, alles hat seine Ordnung, seinen geregelten Ablauf. Ich finde es gemütlich. In meinem Garten sitzen, mit der Familie. Mit Freunden, kleine Feste feiern. Mein Garten ist mein Reich, da lässt sich alles andere leicht vergessen. Da brauche ich keine Weltpolitik mehr. Sollen die sich da draußen ruhig die Köpfe einschlagen, das geht mich doch alles nichts an, ich habe keinen Einfluss darauf, also, was soll ich mich groß darüber aufregen?

Ein gescheiter Mensch hat einmal gesagt: ‚Wer in der Jugend nicht radikal ist, hat kein Herz; wer es später immer noch ist, der hat kein Hirn.’ Genauso halte ich es auch. Diese ganze Anstrengung bringt doch nichts. Man kann nicht immer hessisch unterwegs sein. Da wird man nicht glücklich. Es hat keinen Sinn, immer mit der Welt zu hadern. Oder?«