Mathias Rhode (16)

Loveparade in Rositz

Passiert ja nicht viel, hier bei uns in Rositz, wissen Sie? Ich mein’, ist ja klar, dass sich dann alle dafür interessieren, oder? Ist eben ein Dorf hier. Man kennt das ja. Und als dann letztens … Ach, interessiert Sie das überhaupt? Ich mein’, Sie kommen ja aus der Stadt, da erlebt man ja mehr, als wir hier in Rositz. Ja, jedenfalls hat vorgestern der Bahnhof gebrannt, da war was los, das können Sie aber glauben. Polizei, Krankenwagen, Notarzt. Drei Feuerwehrautos. Wahnsinn. So um zehn war es, als plötzlich die Sirenen losgingen. Ich dachte erst, Probealarm, aber dann roch’s auch so komisch. So, wie wenn halt ein Bahnhof brennt. Oder überhaupt irgendwas. Kennt man das bei ihnen in der Stadt nich’? Ja? Na, jedenfalls, was ich erzählen wollte, der Sohn von unserer Nachbarin, sagen’se, is’es gewesen. Das dacht’ ich mir aber schon immer, der machte so’nen komischen Eindruck. So schwarz gekleidet. Jedenfalls, da war was los, halb Rositz auf den Beinen. Sie kennen das ja sicher nicht, wenn niemand auf der Straße ist, nach sechs. In der Stadt is’es ja anders, ne? Ich natürlich hab’ aus’m Fenster geguckt und gedacht: Das is’ doch der Bahnhof dort. Da hab’ ich mir meine Jacke geschnappt und bin los. Nicht dass S’e denken, ich war der einzige dort, ne, hab’ ich ja schon erzählt, ziemlich was los. Ich kam dort an, so was ha’m ’se noch nich’ gesehen, so viele waren ja nicht mal auf der Kirmes dieses Jahr. Jedenfalls, ein totales Gerangel, fast wie auf der Loveparade. Hehe. Ich kenn das aus’m Fernsehen. Die Polizei hatte alles abgesperrt, wegen Gefahr und so, nich’ dass was einstürzt und die Leute erschlägt. Auf der anderen Seite stand schon der Gustav, mit seinem Würst’l-Wagen. ’Ne ziemlich lange Schlange schon. Sie finden so was grässlich? Mh, versteh’ schon, aber die Wirtschaftskrise, kein Geld, da muss man eben erfinderisch sein, aber das war der Gustav schon immer, schon in der Schule. Ich war mit ihm in einer Klasse. Aber das interessiert Sie bestimmt nicht, oder? Ja … Wo war ich? Genau, Bratwürste, echte Thüringer. Da standen S’e und haben geguckt, wie unser Bahnhof abfackelt. Dann kam auch noch die Lis’l, mit’m Drehrad, oder Glücksrad, oder wie das heißt. Das war ein Spaß. Gab die üblichen Preise. Luftballons und so. Aber, ganz neu, wenn du aufs Feld mit den Flammen gedreht hast, gab’s einen Feuerwehrhelm. Hab’ ich gelacht, ach ne. Komm’se, Sie find’ns doch auch lustig, ich seh’ es Ihnen doch an. Hehe. So’n richtig roter war das. Klasse. Ich hab mich dann beim Franz ins Bierzelt gesetzt. Und da ham’mer alle geguckt, wie’s brannte. Wie Kino, sag’ ich ihnen, wie Kino, ich mein’, wenn wir hier eins hätten. Stand dann auch zwei Tage später in der Zeitung. Bei uns sind sie nicht ganz so schnell. ’Nen toten Feuerwehrmann gab’s auch, ein junger, mit Kind. Ne, das is’ nich’ tot, das war ja gar nicht dabei. Der ist da verbrannt. Gesehen hat man aber leider nichts ’von. Das find ich echt schlimm. Ne, nich’, dass man nichts gesehen hat, sondern, dass der verbrannt ist. Da hätten s’e ja mal Helfer holen können, Verstärkung. Aber ja, so war das. ’Tschuldigung, wenn ich Sie langweile … Sie finden das schlimm? Na ja, aber was gut war, der Franz hat dann Freibier verteilt, für die Feuerwehrleute.

Heut’ soll auch irgendwo was los sein, hab’ ich gehört? Woll’mer mal gucken gehen?

Grässliche Idee, meinen Sie? Ehrlich? Mh, versteh’, ich, Sie ha’m ja recht. Aber wissen Sie, passiert ja nicht viel, hier, bei uns in Rositz.