Madeleine Adolf (20)

Kiesel und Ameisen

Sie machte ihre Finger breit und strich durch die Kiesel am Wegrand. Niedergekauert und konzentriert. Ihre Beine waren Stelzen, die nun wie vom Blitz zerhackt eingebrochen waren. Sie mochte die raue Wärme der Steine. Sie grub ihre Nägel in den staubigen Boden und hub ein Häufchen an. Dann löste sie die Spannung in den Fingern und ließ die Steine und Staubkörner langsam über die Fingerkuppen gleiten. Das Geräusch des Aufkommens war dumpf und leise und gleichsam klirrend, wenn die Kiesel wieder aufsprangen und gegen den nächsten stießen.

Eine Ameise krabbelte zwischen diesem für sie felsigen Gebiet.

Die Hockende bemerkte fasziniert, dass sie eine Tannennadel mit sich schleppte, eine, die vom Sommer bereits braun verbrannt war. Sie wollte mit weit geöffneten Augen ihre Schläfe auf den Kies legen, um in diese Welt einzudringen. Doch es kam nicht dazu. Sie erschrak.

Es musste ein Steinschlag gewesen sein.

Ein Kiesel fiel auf den schlanken dunklen Körper und zerstörte ihn halb. Die zerbrochene Ameise verlor ihre Nadel und bemühte sich, mit ihren vorderen Beinen davonzulaufen. Die, die die Steinchen geworfen hatte, war erstarrt. Das Tier strampelte lebhaft. Es quälte sie, ihm zuzusehen. Wie musste dem Tier zumute sein? Sie zog ihre Augenlider zusammen. Sie verdammte ihre Unachtsamkeit und entschloss sich, das nicht reparierbare Drama zu beenden.

Sie nahm einen grauen, in der Sonne silbrig glänzenden Stein zwischen Daumen und Zeigefinger und presste ihn atemlos auf den Insektenkörper.

Langsam und benommen machte sie ihre Stelzenbeine gerade. Nie wieder wollte sie Kieselsteine streicheln.