Madeleine Adolf (20)

Im Käfig

Das übellaunige Grinsen des Schwarzbären hasste er. Das irrende Rundenrennen des Panthers ließ ihn schneller weitergehen. Dazu kam, dass das Kind sich bückte, nach unten griff und Hände voll Dreck durch die Käfigstangen schmiss. Er nahm seine schmutzige Hand und zog es eilig weiter. Der Löwe brüllte autoritär im Hintergrund. Jetzt bewarf der Junge andere Kinder mit Sand. Er schlug seine Backe rot. Der Junge flennte. Er hasste das. Nun spürte er hundert mütterlich entsetzte Augenpaare auf ihn gerichtet, deren Träger verständnislos den Kopf hin- und herdrehten. Er klemmte den Kleinen mit beiden Armen gegen seine Brust. Der Junge schrie weiter. Er stürzte aus dem Zoo. Auf der Straße entließ er das Kind auf den Bürgersteig, sichtlich beruhigt, die Zone mit dem großen Freiheitsverbotsschild hinter sich gelassen zu haben. Er atmete wieder ruhiger. Das bösartige Plärren des Kindes wollte er einfach nur ignorieren. Da rannte es schon schreiend durch den Passantenstrom. Er lief hinterher, er stolperte und fiel, legte sich auf die grauen Fußwegplatten zwischen die Menschen. Der Junge lief weiter, er sah ihn nicht mehr.

Langsam richtete er sich auf. Er ging dem Kind nach, doch er hatte es verloren. Die schwarzen herabhängenden Wasserdampfgebilde schossen lange Regenstrahlen nach unten. Die Nässe verdichtete sich und auf der Straße waren graubraune Pfützen. Er fühlte sich miserabel. Er musste sie anrufen.

Mit zittrigen Händen und einer Zigarette zwischen die Lippen geklemmt drückte er die schwerfälligen Tasten des öffentlichen Telefons hörbar nach unten. Bald signalisierte eine Silbe der Mutter des Kindes, dass er nun sprechen könnte. Ruckweise stotterte seine kahle Stimme in den Hörer. Er wartete einen Moment. Die bellenden Laute, die er daraufhin vernahm, brannten in seinen Ohren und verjagten ihn. Er hängte ein.

Er saß dort, wo er den Jungen verloren hatte. Die Haare waren durchregnet, auf seinem Gesicht liefen kleine Rinnsale die Hautfurchen herunter.

Dann stand sie vor ihm. Sie hatte einen großen dunklen Schirm aufgespannt und sah hass- und vorwurfsvermischt auf ihn. Zu sagen hatte sie ihm nichts weiter. Sie verabscheute all das.

Er schaute sie an. Sie hielt ihn an der Hand, seinen Sohn.