Erna Memic (14)

Jakob

»Mein Jakob! Wenn du sie nur sehen könntest. Wenn du nur wissen könntest, was mir unsere Kinder antun!,« sagte sie und kniete sich hinunter zum Grab ihres Mannes. Sie kam mindestens einmal am Tag her, um mit ihm zu reden, denn sie war verzweifelt. Früher, als ihr Mann noch lebte und bevor ihr Sohn losgezogen war, um die Welt zu erobern, waren sie eine glückliche Familie gewesen. Doch nun war alles vorbei und keiner hatte mehr wirklich viel für den Anderen übrig. »Wenn du doch nur bei mir wärst … Aber bald werde ich bei dir sein. Sehr bald,« sagte sie und legte die selbst gepflückten Blumen neben die gestrigen. Dann stand sie mühsam auf und machte sich auf den Weg zu ihrem Haus auf der Alm. Nur gut für die alte Frau, dass es nicht so weit weg war. Sie öffnete die Tür. Ihre Tochter saß am Küchentisch und aß selbst gebackenes Brot und Schafskäse. »Hat er sich gemeldet, Simone? Hat sich mein Peter gemeldet?«, fragte sie ihre Tochter. »Nein. Hat er nicht. Genauso wenig wie gestern, vorgestern oder an irgendeinem einzigen Tag in den letzten sieben Jahren und du fragst mich jedes Mal, wenn du nach Hause kommst, das gleiche!«, antwortete Simone genervt. »Ob er wohl schon eine Familie hat? Vielleicht bin ich sogar schon Großmutter!? Wer weiß?«, dachte sie laut mit Tränen in den Augen. Sie brauchte jetzt ein bisschen Ablenkung und ging in den Stall, um ihre Schweine zu füttern. »Jaja, ihr seid meine einzigen Freunde. Ihr versteht mich!«, sagte sie zu ihnen. Aber schon in der nächsten Sekunde hätte sie es am liebsten zurückgenommen, denn sie bemerkte wie verlassen und einsam sie war, dass sie schon mit ihren Schweinen reden musste. Sie setzte sich in eine Ecke des Stalls und konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Dort weinte sie solange, bis sie irgendwann einschlief. In der Ecke im Schweinestall. Als sie in der Früh durch das Grunzen geweckt wurde, war es schon neun Uhr morgens. Sie stand nur sehr mühsam auf und ging in ihr Haus neben dem Stall. »Simone? Schläfst du noch?«, rief sie. Als sie aber keine Antwort bekam, suchte sie ihre Tochter im ganzen Haus, konnte sie aber einfach nicht finden.