Barbara Steif (16)

Morgen

Sie spürte den Sand unter den Fußsohlen. Er war noch kühl, wie die Fliesen in ihrer Küche. Es war früher Morgen. Am Nachmittag würde ihr Flugzeug gehen. »Nur nicht daran denken.« Langsam ging sie auf das Meer zu. Sie beobachtete die Wellen und die Schaumkronen.

Wieder und wieder kamen die Wellen, und für sie sahen alle gleich schön aus. »Genau wie Wolken.« Dann schämte sie sich, bei diesem strahlenden Sonnenschein an Schlechtwetter zu denken. Ob es zu Hause wohl regnet?

Jetzt wagte sie einen kleinen Schritt in Richtung Wasser, das fast zärtlich ihre Füße umspülte. Sie sah ihren Zehen zu, die mit jeder Welle mehr im Sand verschwanden.

Eine sanfte Brise ließ ihre Haare fliegen und berührte das leichte Sommerkleid, das ihre Beine streichelte. »Wie bei meinem Ventilator im Büro.«

Sie spürte, wie sich jedes kleine Härchen auf ihren Armen aufstellte. Sie versuchte, mit einem Atemzug alles Schöne in sich aufzunehmen, alles festzuhalten, um es später nach Bedarf abrufen zu können. Es kam ihr vor, als würde sie zum ersten Mal atmen, zum ersten Mal ihre Umgebung bewusst wahrnehmen. Sie sah sich um und wusste, dass sie glücklich war. Zufrieden mit allem. Endlich.

Ein schriller Ton riss sie aus ihren Träumen. Doch gleich wieder Erleichterung. Es war nur das Signal eines Schiffes, das weit draußen den Hafen ansteuerte.

Sie setzte sich in den Sand, ließ ihn durch ihre Finger rieseln. Sie hörte Kinder spielen, dachte an ihre Wohnung, an den Gemeindebau, an den kleinen Holzverschlag, der im Innenhof eine Sandkiste bildete. Sie schüttelte den Kopf, um alle Gedanken an das trostlose Bild zu verscheuchen.

Mit ihrem rechten Fuß hob sie eine kleine Muschel auf und klemmte sie zwischen ihre Zehen. Es war schön, einfach nur so dazuliegen. Sie schloss die Augen halb. Nur noch unscharf konnte sie das Meer erkennen. Schnell öffnete sie sie wieder, um sicher zu gehen, dass sich nichts verändert hatte. Sie blinzelte, die Sonne war jetzt schon stärker.