Alexander Romagna (17)

Die Ballade vom letzten Fang

Ein kleines Fischerboot schaukelt bei Morgengrauen in einem großen See – kein Land weit und breit. An Bord der alte Fischer B. und seine ebenfalls bejahrte Frau A.

Fischersfrau ein Netz flickend: Die Netze sind von Tag zu Tag zerrissener. seufzt Außerdem spüre ich meine Hände nicht mehr, das viele Beugen schmerzt meinen Rücken.

Fischer zündet seine Pfeife an: Tagein, tagaus dasselbe: Doch ist uns die Arbeit trotz Jammern nicht erlassen – im Gegenteil: Sie wird nur noch schlimmer. Schau dir mein Gesicht an zeigt auf sein Gesicht: Die Stirnfalten sind mir am meisten ausgeprägt, Lachfalten so gut wie keine.

Chor der Nymphen:
in arbeit, in harter,
schuftet der mensch sich zu tode
des meeres getier zu holen
wirft netz und haken er aus.
doch fängt er sich selbst
im netze der arbeit,
das nimmer ihn lässt.

Mühsam ziehen die gebrechlichen Fischersleute ihre Netze empor. Unzufrieden betrachten sie ihren Fang und beginnen dann die wenigen Fische nach Größe und Gewicht zu ordnen.

Fischersfrau hält inne: Weshalb tun wir uns das an, warum haben wir uns das ein ganzes Leben lang angetan?

Fischer B. geht zum Bug des Bootes: Die Alten haben uns nichts Anderes gelehrt als Netze zu knüpfen und damit Fische zu fangen. So haben sie unser Los bestimmt.

Fischersfrau: Unzählige Nächte habe ich hier draußen erfolglos vergeudet, in Jugend und Alter habe ich mich mit Netzen, mit untrennbaren Knoten beschäftigen müssen. Die Freude an weiblicher Schönheit war mir nie beschieden.

Fischer B. stutzt: Du hast Recht, auch ich bin dieser Arbeit müde, erloschen ist meine Pfeife.

Chor der Nymphen:
umgeben von netzen
windet der mensch sich vergebens
doch dichter werden die knoten
und größer die knäuel
im netze der arbeit,
das nimmer ihn lässt.

Fischersfrau nähert sich ihrem Mann: Ich bin erschöpft und meine Augen fallen mir zu – legen wir uns doch hin und lassen uns von den Wellen treiben. Unsere Arbeit ist ohnehin sinnlos geworden.

Die beiden gehen zum Heck des Bootes, legen sich nieder und bedecken sich mit zerschlissenen und verknoteten Netzen.

Chor der Nymphen:
seht her, da liegen die beiden
aus leder ihr hand und gesicht.
kommt ihr gewässer und löset die netze,
die zu lösen sie nicht vermochten.
schwellet ihr strudel,
im wasser, das nimmer sie lässt.

Ein kleines Fischerboot schaukelt bei Morgengrauen in einem großen See – kein Land weit und breit. An Bord liegen offen die Netze.