Regina Rieger (18)

 

Farbenblind

Ihr Blick klammerte sich an den Vorhängen fest. Doch die Formen der bunten Blütenmuster verzerrten sich. Orange, Gelb, Grün, Blau verschwammen, liefen ineinander, brachen sich in ihren Tränen. Sie weinte, bis alle Farben ausgewaschen waren. Nur noch Grautöne, Umrisse und Hüllen.

Sie schloss die Augen, um das Grau nicht mehr ertragen zu müssen. In ihrem Kopf drehten sich die Schemen, bis nur noch Schwarz in ihr war. Stillstand. Lange starrte sie in die Dunkelheit ihrer geschlossenen Lider.

Allmählich wurden ihre Gedanken wieder lebendiger. Aber sie wagte nicht, die Augen aufzuschlagen, aus Angst, nur noch verzerrte, farblose Gebilde zu sehen. Sie wollte in ihrem Inneren das Blütenmuster wieder zusammensetzen. Vorsichtig blinzelte sie. Ihre Lider waren noch verklebt von den Tränen. Dann gab sie sich einen Ruck und öffnete weit die Augen.

Für einen Moment schreckte sie zurück.

Sie war Schmerz in allen Farben.