Elisabeth Klar (15)

Stadt.Park.

Der Mond kam heraus zwischen kargen Bäumen.

Sie wollte und wollte nicht weitergehen. Er rutschte unruhig hin und her.

Ihr lippenstiftglänzender Schmollmund, ihre klimpernden Armreifen.

Sie sieht hinab, eine Schnellbahn rast unter ihnen vorbei.

Stadt. Park. Ein Stadtpark. Frag nicht, wo.

Es ist zu dunkel, findet er. Schön dunkel, findet sie.

Ihre Kleidung. Alles irgendwie… zu schrill. Alles billig in irgendeiner Form.

Ob es nun die hohen, goldenen Schuhe sind… der enge, glänzende Rock… das aufgesteckte Haar… die viel zu großen Ohrringe…

Nuttig, sagt er. Schön nuttig, sagt sie, und zeigt lachend ihre Zähne.

Er geht umher. Er tritt auf Glasscherben.

Lehn dich nicht ans Geländer, sagt er. Es ist schmutzig.

Sie grinst, herabschauend auf die Gleise.

Schau, sagt sie, da unten liegt eine Spritze.

Er kommt zu ihr hin. Er kann gar nichts sehen.

Er sagt, komm. Wieso, fragt sie.

Seine zitternde Hand auf ihrer Schulter.

Sie kriegen dich, sagt er, wenn du es nicht ahnst. Sie brechen dir die Kiefer. Oder schlimmer…

Sie lacht, ich bin blond.

Er schaut finster, das tut nichts zur Sache, sagt er. Es kriegen dich die einen, oder es kriegen dich die anderen. Beide brechen deine Knochen. Oder auch schlimmer…

Sie beugt sich über das Geländer. Spuckt. Ihr kurzer Rock rutscht nach oben. Der klebrige Stahl reibt an ihrem Top.

Er sieht weg. Stille. Sie spuckt. Ihre Haarspange löst sich, fällt auf die Schienen. Man sieht sie unten glitzern.

Ups, meint sie, holst du sie mir?

Er sagt nichts. Er betrachtet die Spange.

Na komm schon, sagt sie. Es ist ganz leicht.

Er wartet. Dreißig Sekunden vielleicht.

Dann vibriert der Boden. Ein Lichtschein. Ein Zug rast unter ihnen vorbei.

Er schüttelt den Kopf. Nein, sagt er.

Plötzlich Grölen. Fern.

Er sagt, Komm. Wieso, fragt sie. Er steigt unruhig hin und her.

Meinst du, dass sie’s sind, fragt sie. Sind es wohl die einen, fragt sie, oder die anderen?

Ihre Augen leuchten.

Er horcht. Flaschen zerbrechen. Er hasst es, hier zu sein.

Lasst uns hingehen, sagt sie, vielleicht sieht man uns ja nicht.

Nein, sagt er.

Sie geht. In eine ungute Richtung, findet er. Er hält sie an der Schulter. Nein, sagt er.

Lass uns singen, ruft sie, vielleicht hört man uns ja nicht.

Er wird bleich. Sie stimmt ein Lied an. Hör auf, zischt er. Aber sie wird nur lauter. Hör auf, sagt er, doch sie übertönt ihn. Hör auf, schreit er, doch sie hält sich die Ohren und schreit aus vollem Halse.

Er schlägt sie und sie weint. Und lacht. Weint lachend.

Jetzt brichst ausgerechnet du mir die Knochen, sagt sie.

Lasst uns gehen, sagt er.

Sie geht zum Geländer. Hält sich die schmerzende Wange.

Lasst uns springen, sagt sie, vielleicht bremst man ja.

Und lächelt verzweifelt.

Er packt sie am Handgelenk.

Dass du das Leben aber auch immer so verdammt ausreizen musst, flüstert er mit gebrochener Stimme.

Dann zerrt er sie fort.

Man hört ihre Stöckelschuhe klappern, im Dunkeln.