Marlene Kelnreiter (18)

träumereien

der mann hat eine schöne frau und kein kind, sie wohnen nahe dem himmel, ganz oben nämlich. fünf große zimmer, blank und modern, ledercouch und heimkino; große fenster, dahinter das zentrum der welt. hohe türme gegen den stürmischen himmel, glasfassaden und marmorböden; trotzdem haben die menschen hier drinnen auch braune zähne und krampfadern.

der mann und seine schöne frau sind vielbeschäftigt, gehen gerne ins theater und haben scheinbar viele freunde, außerdem essen sie kugelfische, tragen seide, fahren mercedes.

seit kurzer zeit träumt der mann nächtens sehr viel, was ihn etwas beunruhigt, weil er bisher immer einen sehr tiefen, traumlosen schlaf hatte.

morgens wacht er dann immer verwirrt auf und braucht erst mal einige minuten unter der leopardenseidendecke, während derer er versucht, wieder zur besinnung zu kommen. er ärgert sich darüber, seine frau stört das ganze nicht.

einmal träumt er, fleischer zu sein und den fetten schweinen die bäuche aufzuschlitzen; beim aufwachen meint er, blut an seinen händen zu spüren.

es hat ihm spass gemacht, doch den ganzen tag über ist er etwas agressiv und verstimmt, er schnauzt seine frau an und sitzt lange gedankenverloren in seinem büro.

in der nächsten nacht träumt er wieder fast das selbe, er erschießt dreiundzwanzig schweine und ist beim würste machen mit dabei. es bereitet ihm soviel freude, dass er sich den ganzen tag lang nur auf die nacht freut, um das brüllen wieder zu hören und das blut wieder zu sehen.

am abend im theater ist er unkonzentriert, seine schöne frau findet er langweilig.

nach einigen solchen nächten beginnt ihn sein leben zu nerven, die arbeit, die partys, die frau. er wird langsam immer abwesender, und so kommt es, dass er die nacht gegen den tag, den traum gegen die realität tauscht, die grenze verschwimmt.

eines nachts quellen die schweine von draußen in seine wohnung herein, reiben ihre borsten an der couch, leeren den mistkübel in der küche aus und wälzen sich auf der leopardenseidendecke.

er spürt, dass seine zeit gekommen ist, und bald ist der saubere boden mit blutlachen gefleckt, die küchenmesser werden langsam stumpf –

am nächsten morgen steht er dann, bloß in der unterhose, inmitten des gestankes und der leblosen, verstummten schweine. er hat nun tatsächlich blut an seinen händen – und ist glücklich.

 

il bambino

»de scheiß fedaviecha schiaß i nu amoi oba, de bledn viecha!« schrie der großvater, zornig mit der schaufel in der hand, während sich die schneesturmwolken wieder verzogen und die dünne weiße schicht auf der straße von der wiederkehrenden sonne aufgetrunken wurde. der kleine stand mit der riesenhaube und den roten, von oma gestrickten fäustlingen in der schneewiese und hielt die alten brotkrümeln in der hand versteckt hinterm rücken. »gfrasta«, zischte der alte zornig und verschwand hinterm stadl.