Cornelia Travnicek (13) 13.08.00

 

Es ist sehr kalt und der Wind pfeift durch das weit geöffnete Fenster. Die reinen, noch weißen und die vielen beschriebenen Blätter tanzen in der Strömung ein groteskes Ballett. Gespenstisch wanken sie, finden keinen Auftrieb mehr und fallen. Aber nur um vom nächsten Luftzug wieder in die Höhe getragen zu werden. Ich sitze am Fensterbrett und starre auf die Blätter, verliere mich in ihren Bewegungen. Ich werde eines von ihnen und schwebe leise durch die Luft, fast lautlos. Wie eine Schar kleiner Geister die einen Reigen tanzen. Und ich in ihrer Mitte, aufgenommen in die Einheit. Der Traum verfliegt und ich muss leise seufzen. So viele Gedanken und Emotionen sind auf diesem Papier festgehalten. Papier und Tinte. Ganz und gar nicht ausreichend um alles wiederzugeben. Und wer vermag schon alles, wirklich alles, zwischen den Zeilen zu lesen......

Tränen tropfen auf das einzelne Blatt in meiner Hand, das mein Abschiedsbrief ist. Nur ein paar Zeilen, für meine Familie, nur ein paar Zeilen zur Erklärung. Ich weine lautlos um die Stille nicht zu zerstören, die Stille, die mein Schutz ist in dieser Höhe. Wenn ich hinabblicke, kann ich die Millionen kleiner Lichter sehen, aber es dringt kein Geräusch bis an die Spitze des Gebäudes. Stille. Meine Heimat hier droben. In dieser Abgeschiedenheit ist jedem mein Alter egal, ich kann wieder klein sein und so naiv wie ich will. Kann mir Welten ausmalen die nicht existieren und sie als Realität ansehen, ohne dass jemand mich mahnt endlich erwachsen zu werden. Hier oben, in meiner dunklen Wohnung, hinter den verschlossenen Türen, liegt meine Welt. Kein Licht dringt von draußen herein, nur in der Nacht so wie jetzt, öffne ich das eine Fenster und sehe hinab. Hier gibt es nichts, dass Ungewissheit bedeutet. In der Dunkelheit bin nur ich. Frei von Problemen. Aber ich will mit diesem pulsierenden Organismus verschmelzen, der unter mir liegt, will dazu gehören. Ohne nachzudenken steige ich auf das Fensterbrett, stehe sekundenlang zwischen zwei Welten und entscheide mich für das Draußen. Dann springe ich. Und falle, gleich den Blättern, aber keine Strömung trägt mich sanft. Licht und Geräusche rücken schnell näher. Ich fliege in den Mittelpunkt des Lebens. Gleißendes Licht, laute Rufe und dann ist alles vorbei. Stille. Meine Heimat...........