Daniela Pesendorfer (18)

Rollentausch

Langsam zog sie die schwarzen Seidenstrümpfe über ihre Füße, hinauf zu ihren Knien und schließlich über die glattrasierten Oberschenkel. Ihr schwarzer, kurzer Rock war gerade so lang, dass er die gebräunte Haut verdeckte, die zwischen Strümpfen und Unterhose noch frei blieb.

Ihre hellblaue Bluse war so eng, dass man jeden Moment damit rechnete, sie würde einen Blick auf ihren schwarzen BH freigeben, sollten sich in einer unbedachten Bewegung einige Knöpfe selbständig machen.

Sie schlüpfte rasch in ihre Stöckelschuhe, und balancierte gekonnt auf den zehn Zentimeter Absätzen in Richtung Bad, wo sie sich einer außerordentlich gründlichen Schminkprozedur unterzog. Nach einer Stunde war sie fertig, fuhr sich mit den Fingern noch schnell durch ihr blondes, langes Haar und verließ, ihr rosafarbenes Lederhandtäschchen lässig um die Schulter gehängt, ihre Wohnung.

Sie wollte zum Arbeitsmarktservice, denn das Arbeitslosengeld reichte für ihren Lebensstandard nicht mehr aus.

Sie stolzierte über die Straße, als wäre sie ein Laufsteg, und machte sich nicht einmal die Mühe, bei rot stehen zu bleiben. Egal wo sie auftauchte: Männer drehten sich nach ihr um, Frauen warfen ihr eifersüchtige Blicke zu und die quietschenden Reifen der Autos, die durch eine Vollbremsung ihrer männlichen Fahrer gezwungen wurden, stehen zu bleiben, um ihr den Weg frei zu machen, gehörten zu ihrem täglichen Leben.

Im großen und ganzen ein ganz angenehmes Dasein, fand sie.

Sie lächelte, als sie die Tür zum Gebäude des Arbeitsmarktservice öffnete und eintrat.

Sie kannte sich aus. War schon einmal da gewesen – vor fünf Jahren, oder vor sechs.

Zweiter Stock. Dritte Türe rechts. Zu Herrn Huber.

»Was kann ich für sie tun?«, Herr Huber lächelte sie an, als wäre sie die Queen persönlich. Sie grinste zurück und säuselte: »Mein Name ist Heinrich. Heinrich Müller und ich möchte Stewardess werden!«

Lächelnd fuhr sie sich mit der Hand über ihre Bartstoppeln.

»Ich müsste mich bei Gelegenheit wieder einmal rasieren!«, dachte sie noch, bevor Herr Huber von seinem Stuhl fiel.