Susanne Müller (16)

Metall

Schwarz ist die Decke, ein metallen schwarzes Gitter, das sich über den Raum spannt, fein feiner am feinsten, nichts außer dem neonkühlen, eintönig weißgelben Licht, das sich nie mehr zu verändern scheint, schleust sie hindurch.

Licht fällt fast schattenlos von oben in den seitengleichen Raum; vier metallen harte Wände, grausilbern glänzend, senkrecht stark, vom kunststoffgrauen Boden, der stumm und nichtssagend ist, zur dichten Decke. Sie sehen gleich aus, ineinander miteinander vergossen, ohne Anfang und Ende.

Ich starre zur Decke hinauf, hindurch, suche oben nach dem Licht und woher es kommt – nichts hat sich verändert. Schon lange hat sich nichts mehr verändert; die Wände sind fest geworden, greifbar und starr. Ich glaube, früher, vor langer Zeit, war es anders; ein Flimmern nur war es, Flimmern und Flirren, wie die Hitze in der Ferne an einem Sommertag, dachte ich; ich sehe es vor mir, weit weg war es. Silbrig das Flirren, Punkte tanzten zu Strichen, dichter, schwindlig drehte sich eine Spirale aus metallen grauen Fäden um mich. Dichter und enger. Ich schloss die Augen vor dem schwindligen Flimmern. Und dann war da die Wand – Wände, die kamen näher, fester und deutlicher waren sie da, und sie begrenzten und beengten. Silber um mich und Grau, grau auch der Boden unter den Füßen, die meine waren, im teilnahmslos weißen Licht.

Sie alle sehen gleich aus rund um mich. Ich weiche zurück, weil etwas in mir schüchtern geworden ist von der Enge. Langsam die Bewegungen meiner Beine, meiner Arme. Ich atme noch. Keine Ruhe in meinem Blick, er gleitet hinauf und hinunter tastend über Wände und Boden und Decke, auf der Suche nach etwas, das mir verborgen geblieben ist, nach etwas, das hier vielleicht lebendig ist –

Mein Blick ahnt und bleibt haften in der oberen Ecke zwischen zwei Wänden, wo sich das Metallene unterbricht bei genauer Betrachtung. Ein Riss, ein schmalkleiner Riss in der Dichte der Wände, da ist Licht von draußen erkennbar – ein Schritt darauf zu, vorsichtig sind meine Füße – es ist dasselbe Licht, das hier auch von oben kommt, kühl nüchtern. Wände vor meinen Augen, unsicher silbrig, und so wirklich der Riss hindurch. Ich zögere noch, befühle die Spalte Licht mit meinen Händen. Metallen hart und klar gerissen die Kanten der Wände, Licht ist zu sehen und nichts sonst, der Riss ist so schmal. Meine Hände sinken. Ich schließe die Augen, und Furcht lodert in mir auf, wieder, stärker – mein Blick geht weiter: Der Raum ist noch da, dichtes Metall, und eng und stumm ist die Luft, und ich stehe ein Stück entfernt von dem Spalt in der Grenzwand, mit runden, gesunkenen Schultern, fast ebenso grau, und plötzlich so wirklich grau, mitten in dem Standbild – erstarrt.

Begrenzt, beengt, gefasst, gefangen. Kleines kaltes Gefängnis. Kahl. Einsam. Ich werde nicht rufen und winken und gegen die Wände laufen; es würde nichts nützen. Die Angst lodert noch einmal in mir, macht das Metall dichter und enger. Das Wissen ist schon lange in mir hochgekrochen: Ich war es, der mich eingeschlossen hat. Ich brauche nicht zu warten, das Gefängnis ist da, nichts sonst. Meine Beine treten langsam einen Schritt zurück, noch einen und einen noch. Hängende Schultern. Noch atme ich. Ich kann stumm sein. Ich bin umgrenzt. Angst machte die Wände dichter, meine Furcht vor der Enge würde mich noch mehr bedrängen. Keine Angst haben.

Langsam gleitet der Stoff meines grauen Gewandes an der grauen Wand entlang. Hockend, mein Blick ruht. Ich bin schuldig. Nichts wird sich mehr ändern.

Ich verharre.