Susanne Müller (16)

 

Wenn er morgens aufwacht aus seinen wirren Traumbildern, vom Wecker herausgezerrt in die Wirklichkeit, von einem Rasseln auf dem abblätternden Holztisch in der Ecke, dann muss er zuerst, mit bloßen Füßen über nackten Boden, zum Fenster gehen und es mit dem alten Knarren weit öffnen, im Sommer und im Winter. Er muss die Luft draußen fühlen und nachsehen, ob der Himmel noch oben und die Erde noch unter ihm ist, ob noch alles die alten Farben hat, ob der Baum vor dem Haus noch da ist und seine schwarz gefurchten Äste schaukeln vom Wind, und ob im Mietshaus gegenüber im obersten Stock alle Fenster offen stehen, wie sie es immer getan haben, alle gleich weit, halb offen, und wenn die Sonne scheint, spiegeln sie sie blendend wider, und dann fühlt er eine warme Freude und Zuversicht in sich wachsen.

So steht er eine längere oder kürzere Weile, die Hände auf der Fensterbank liegen, und betrachtet dieses Stück Welt und gewöhnt sich daran.

Dann erst beginnt für ihn ein wirklicher Tag.