Marina Martinez Mateo (14)

Regenbilder

Die Regentropfen fallen wie leuchtende Kristalle auf die Erde. Die finsteren Wolken starren wütend auf die Menschen herab. Nur einige wenige Sonnenstrahlen beleuchten einen Teil der Welt unter ihnen, wie verzweifelt scheinen sie sich durch die Wolkenmasse zu kämpfen.

Ich sitze an meinem Fenster. Ich habe es leicht geöffnet, um den Laut und den frischen Duft des Regens wahrzunehmen. Ich sehe auf die Straße. Menschen laufen hin und her, spannen ihre Schirme auf, schützen sich unter Balkonen. Unter ihnen ist ein Mann, der die Straße entlang eilt. Er trägt einen sehr feinen Anzug und eine Aktentasche unter dem Arm. Er sieht besorgt aus und läuft von Balkon zu Balkon, damit die Nässe seiner Frisur nicht schadet. Seine Augen haben einen gleichgültigen, fast traurigen Blick. Ich glaube, er hat schon lange nicht mehr die Zeit gehabt, etwas Schönes anzusehen. Schon bald ist er aus meinem Blickfeld verschwunden.

Als nächstes fällt mir eine junge Frau auf, die mit einem Neugeborenen im Kinderwagen auf dem Gehweg steht. Ich glaube, sie versucht ihm den Regen begreiflich und vertraut zu machen. Sie nimmt seine kleinen Händchen und hält sie in das Nass. Das Kind zieht sie erschrocken zurück und beginnt zu weinen. Mit liebevollem Blick tröstet sie es, zeigt ihm aber immer wieder lächelnd, wie das Wasser auf ihre Hand tropft, und mir scheint, sie summt den Laut der Tropfen mit. Schließlich geht sie weiter.

Jetzt erst bemerke ich einen kleinen Jungen. Er ist sicher nicht älter als fünf Jahre. Seine Haare sind tiefschwarz… nass… verklebt… Kleine Tropfen laufen an seinem Kinn herunter. Er steht mitten auf der Straße, der Kopf zum Himmel geneigt, spürt wohl das Wasser auf seiner Haut und lächelt mit solch einer starken inneren Zufriedenheit und Ruhe, dass er auch mich glücklich macht. Was denkt er wohl in diesem Augenblick? Er erinnert mich an mich selbst, wie ich früher vor dem Haus saß und wartete, wann der Regen endlich kam. Ich konnte Stunden so verbringen, ohne mich zu regen. Ich wartete nur. Und wenn er dann kam, sprang ich auf und rannte überall herum und stellte mir vor, ich wäre ein Regentropfen.

Das Lied des Regens ertönt in mir, wie früher auch. Ich atme den zarten Duft ein und fühle, wie er meinen gesamten Körper ausfüllt und bewegt. Es ist wohl Sehnsucht, was ich die ganze Zeit in mir fühle. Sehnsucht nach der längst verlorenen Zeit, in der ich selber zum Regen wurde und er mein ganzes Ich war. Mir wird so heiß in meinem Zimmer, ich glaube zu ersticken. Ein letzter Blick nach draußen. Ich laufe aus dem Haus.