Elisabeth Klar (14)
Je mehr du versuchst, normal zu sein, desto fremder wirst du ihnen
Er stand ein bisschen schief, sodass er seine Wange an die kalte Tür legen konnte. Drinnen hörte er sie reden und schreien, normale Kinder in einer normalen Klassengemeinschaft. Er wusste, die Tränen, die er geweint hatte, konnten nicht mehr zu sehen sein. Die Schuluniform würde ihm Sicherheit geben. Schließlich trug die jeder. Er konnte sich nicht vorstellen, woran es lag, dass man es sah. Er war äußerlich nicht anders als die anderen. Die Uniform kratzte. Leise legte er die Hand auf die Türklinke. Sie war kalt. Er drückte sie nach unten, schob die Türe auf und war geblendet vom Licht. Es war dunkel gewesen draußen. Es schien immer so, als stünde die Zeit still, er erlebte das ja nicht zum ersten Mal. Das Verstummen der Schüler, wenn sie ihn entdeckt hatten. Der neugierige Blick der Lehrerin. Und die Erkenntnis. Dass er entlarvt war. Woran konnten sie es bemerkt haben? Er sah nicht anders aus als sie. Er redete wie sie. Er war wie sie. Eine breite Masse starrte ihn an und urteilte, dass er nicht wie sie war. Dass er nicht von hier war. Sie konnten es gar nicht gesehen haben, sagte er sich. Aber sie hatten es gesehen, wusste er. Je mehr du versuchst, normal zu sein, desto fremder wirst du ihnen, hatte einmal jemand gesagt, der es gut mit ihm hatte. Die Lehrerin fragte, wie er heiße. Die Lehrerin fragte, wie alt er sei. Die Lehrerin fragte, ob er denn sprechen könne. Er stand ein bisschen schief, sodass er seine Wange an die Wand legen konnte. Draußen war es still. Draußen war der dunkle weite Flur, die kalte Türklinke. An der feuchten Wärme spürte er, dass er sich in die Hose gemacht hatte. Es rann alles auf den Boden. Hosenscheißer, schrie irgendjemand von ganz hinten. »Du bist nicht von hier, oder?« fragte die Lehrerin. Auf dem Boden bildete sich langsam eine Lacke. Ihm wurde kalt.