Katharina Hammler (15)

Aussichten

Fenster, die man nicht öffnen kann, doppelt versperrt, als unüberwindbare Grenze, und Sie fragen, ob ich glücklich bin? Einziger Schmuck der Räume getrocknete Blumen unter Spinnweben, und Sie fragen mich, ob ich glücklich bin?

Das Rauschen des wilden Flusses neben dem Haus, der Blick in die Freiheit, all das muss ich ertragen, tagein, tagaus, und Sie meinen nur, es wäre gut für mich? Geschmückter Garten vorm Haus, fast überfüllt mit Blüten und Blumen, zu perfekt unsere Welt von außen, jeder soll sehen, wie gut wir es hier haben, mir muß es hier doch gefallen. Nette Menschen, die mir sagen können, was mir fehlt, was an mir nicht Mensch genug ist, die immer, jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde da sind, mich nicht aus den Augen lassen, das ist doch genau das Richtige für mich! Entfalten kann ich mich hier, durch Zeichnen und Sprechen meine Probleme erkennen, mit ihnen umgehen lernen, das wird mir helfen, da sind Sie sich sicher. Auch Sie könnten mir dabei helfen, Sie sind ja dazu da, vieles könnten Sie mir beibringen, Sie, mit Ihrem lächerlichen weißen Mantel, wenn ich nicht ganz so verschlossen wäre. Warum ich Ihnen nicht glauben kann, sie tun doch Ihr bestes, sind immer freundlich zu mir – wollen Sie das wirklich wissen?

Sie denken, dass ich danach normal – sagten sie normal? – weiterleben können werde, wie jeder einzelne von ihnen, die Tag für Tag das gleiche tun und sagen, sich eingegliedert haben in die Gesellschaft. Irgendwann, eines Tages, wird es mir wieder gut gehen, irgendwann, eines Tages, könnte ich hier wieder hinaus kommen, wenn ich doch auch nur ein bisschen mitarbeiten würde, könnte mein Leben wieder sinnvoll sein, sagen Sie.

Hier wäre doch alles so leicht, hier hat man doch Verständnis für mich, hier, so weit entfernt von der alltäglichen Wirklichkeit, hier kann ich wieder leben lernen, ob ich diese Chance nicht dankbar annehmen wolle, fragen Sie?

Aber in meine Welt einzudringen, mich verachtend anzusehen, mich jämmerliches Wesen, zu versuchen, mich mit Fußtritten in Ihre Welt, ihre perfekte Welt zu zwingen, mein Ich stutzen zu wollen, abschneiden, wegwerfen zu wollen alles Individuelle, Abnormale, Schlechte an mir, bis ich fähig bin, unterzutauchen in der grauen Masse, das trauen Sie sich, ohne zu fragen?