Zhivko Asenov Asenov (17)

Fremd

Jeder kommt auf diese Welt allein und stirbt allein. Das Leben ist eine Suche, eine Selbstaufopferung. Noch mit der Geburt beginnt man eine einsame und schwierige Reise, in der die Liebe, der Haß, die Freude und der Kummer einer nach dem andern folgen, und wie Verkehrszeichen uns die richtige Lebensweise zeigen.

Wenn wir Kinder sind, leben wir mit unseren Eltern und unseren Freunden. In der Schule und auf der Straße erfahren wir, daß wir ein Teil von etwas sind, das Gesellschaft genannt ist, was uns in dieser Zeit als das unbekannte Fremde erscheint. Dieses Wort ist für mich so fremd und sonderbar, sogar unnütz.

Die Psychologen sagen, daß die Menschen soziale Wesen sind. Warum aber sehe ich nichts Soziales in ihrem Benehmen? Warum sind sie so selbstsüchtig und haben so große Angst vor jeder Annährungsmöglichkeit? Im heutigen rasenden Leben ist das Leben selbst etwas Unfaßbares für die Menschheit. Es muß aber die natürlichste Sache für einen Menschen sein. Wir leben in Angst, daß wir versagen und daß wir unsere Träume nicht verwirklichen und das tötet das Schönste im Leben. Jeder hegt gewisse Träume, die seine Zukunft betreffen. Man bemüht sich, diese Träume zu verwirklichen, weil die Träume des Menschen unserem Leben Sinn und Freude verleihen. Für mich sind meine Träume das Größte, das Wertvollste, was es überhaupt gibt. Ich wollte Arzt werden. In meinen kühnsten Träumen sah ich mich als einen erfolgreichen Arzt. Die Träume sind deswegen so schön, weil sie zum Teil eine Illusion sind. Es hat sich erwiesen, daß dies aus ganz gewöhnlichen und einfachen Gründen für mich und meine Familie unmöglich ist. Die geplatzten Hoffnungen haben mich verstimmt, denn für mich war das eine vertraute Möglichkeit. Meine Unfähigkeit, das in Erfüllung zu bringen, hat mich auch allmählich von diesem Traum entfernt. Das, was mir so am Herzen lag, wurde mir immer fremder und fremder, und ich suchte nach anderen Gelegenheiten, um diese Leere zu ersetzen. Es ist also nur ein Spiel der Gedanken und Illusionen, was uns eigentlich fremd oder bekannt und vertraut ist. Es könnte auch eine Herausforderung werden. Wenn das eigene Vertraute uns immer fremder wird, und das unbekannte Fremde uns immer mehr anzieht und fasziniert, das eröffnet uns ungeahnte Horizonte.

Unser ganzer Lebensweg ist voller Sorgen. Wie wir aussehen, was die anderen von uns halten, ob wir ihnen gefallen. Kurz gesagt, wir entfremden uns der Welt, während wir versuchen, perfekt zu sein.

Ich bin nur siebzehn Jahre alt, und manchmal fühle ich mich so müde vom Leben und von der Falschheit des Alltags. »Fremd« ist das genaueste Wort, mit dem man die Beziehungen zwischen den Menschen beschreiben kann. Die Aufrichtigkeit und die Zärtlichkeit sind mit kalter Höflichkeit getauscht. Ich denke, daß das Gute und die Herzlichkeit zusammen mit den Menschen des 18. und 19. Jahrhunderts gestorben sind. Die Menschen leben einsam in ihrer eigenen Welt, weil sie Angst haben, daß jemand ihre Gefühle verletzt. So entgleiten uns die schönsten Momente in unserem Leben. Ein griechischer Weiser lehrt uns, daß es gelernt werden muß, wie man das Leben genießen kann. Es ist leicht zu sagen, aber wer hat den Mut und die Kraft, das zu tun. Wenige Menschen sind glücklich. Wir sind einsam und suchen nach jemandem, der unserem Leben neuen Sinn gibt und unsere Seele heilt. Sich fremd fühlen, das passiert sehr oft. Für die Menschen ist das ein großes, meistens unlöslbares Problem. Warum, meinen Sie, gibt es so viele Selbstmörder? Weil der Selbstmord für sie der einzige Ausweg war. Sie waren einsam, und die Gesellschaft hat sie mit ihrer grausamen und falschen Moral geknickt und gebrochen. In dieser Welt gibt es keinen Platz für empfindliche und denkende Menschen. Die Grobheit und Bosheit verleiden unser Leben.

Vielleicht das ist ein zu pessimistisches Urteil über das Leben und die Welt, werden Sie sagen, vielleicht bin ich zu jung und perplexed, damit ich über diese Sache sprechen kann. Ich weiß es nicht, vielleicht haben Sie Recht…