Sebastian Vigl (17)
Aus einem Tagebuch
Vorwort
An den Leser
All das Leben ein Traum vielleicht
Ein Kind ein schüchternes
Mit Ball spielend dem runden
So hoch so werfend
So weit
Zu hoch
Die Unschuld stirbt
Das Kind in uns mit dem Ball
Tintenvoll leere Blätter
Aus einem Tagebuch des jüngsten W.
Aus einem Tagebuch des jüngsten
W.
Der Tage hat er entsinnt
Von Freuden so bitter am Ende
Alltäglichen Lebens
Als Freud alles Leid
Und alles Leid als Höllenqual
Du kennst ihn noch
Den Kameraden im Spiele
Seine Welt des Traumes
Der Stille
Du kennst ihn
Den Nachbarn im Pulte
Seine unerreichte Liebe
Zur Ruhe
Du kennst
Den Missverstandenen
Auflehnerisch
Träumerisch
Den jüngsten W.
Nicht?
Montag
Nabelndes Erwachen
Straßen
Grauen im Dampf
Von Reihen von Häusern
Elend ein Hund bellt
Gewaltsames Entreißen
Aus kummerlos
Dunklen Stunden
Zielstrebiges Umherirren
Im schattenverzerrten Raum
Von Gemäuern kalt
Müden Zwieback
Im Kaffee ertränkt
Der jüngste W.
Zucker zerstaubt
Trostlos
In milchiger Wonne
Ertrunken
Melangelie
So sprich doch
Süße Melangelie
Der Minuten Leere
Der Tage Seufzen
Weißgrauer Aufputsch früher Stunden
- Nichts -
Gähnt die Tasse
Bewusst
Elend
Ein Hund bellt
Trostlos
Dienstag
Spaziergang
Im Grauen
Rauch
Stößt der Kamin aus
Papiere
Aus der Tageszeitung
Zerfetzt
Werden von Passanten
Getreten
Aus Erdlöchern
Schießen Untergrundbahnen
Dem Himmel entgegen
Die Tauben
Zu Boden
Im Mitleid
Zerfließt eine Laterne
Zigarre im Mund
Die Stummel
Am Boden
Im Nebel des Zehnten
Irrt
Der jüngste W.
Heftet
Ein dickes
WIESO
An den Bürgersteig
Im Nebel des Zehnten
Klafft
Ein drängendes
WIESO
An den Mauern
Seiner Stadt
Von eilenden Füßen getreten
Der jüngste W.
Weint irgendwo heldenhaft
Zigarre im Mund
Am Boden
Mittwoch
Der jüngste W. selbst
Seine Beschäftigung?
Hilflose Blätter
Mit tonnenweise Tinte
Zu bespritzen
Seine Werke?
Blinzelnde Laute
Dem Mutterleib entrissen
Wimmern
Protzige Schreie
Werfen sich ungestüm
Auf Tapeten grüner Wände
Seine Technik?
Gewöhnliches demontieren
Stapeln
Um es ungewohnt auszusprechen
Große Tintentränen
Weint seine Feder
:
"
Romantisch
Als ich eine Sternschnuppe
sehe
Fällt mir ein
Ich müsse noch Brot besorgen
"
=
Impotente Wörter
Der Unverstand eines Lesers
Wird ihre Nutzlosigkeit decken
Ledrig lasten
Lästige Gebote leider
Alltäglichen Lebens
Seine
Gedichte können fliegen federleicht
Entschweben manch
Verbotenem Traume
Aus dem Ledersessel zum Zenit
Er bleibt zu Boden
Donnerstag
Im Café
Ein unerlaubtes Spiel ihrer
Haare
Ein sattes Strähnchen
Um den Platz kämpfend
Über der Nase schleicht sich ein so
Begeistertes Fältchen
Unbekümmert an das Licht
In der Symphonie ihres Wesens leuchten
Ihre Augen seinen
Entgegen, die junge H. lacht.
»mögest du schauen
das licht
unterstreichend dein lachen deiner
augen das dunkel von draußen
kann ich missen all das graue
erblasst im getöntem deiner haare
zergehend leicht der reigen
der wimpern dumpf im takt
meines trachtens, ich liebe dich.!«
Aus Gläsern weinen
Orangene Saftperlen Freudentränen
Weiche Stuhlbezüge
Reiben sich liebkosend
An fahlen graustoffenen Hosen
Der Aschenbecher
Verkneift ein Lied breitbeinig sich
Und philosophiert
Über Dreierkombinationen
»DU ich liebe deinen
blick
DU ich will dich so innig
DU
willst du mich?«
Laternen scheinen Kreise freudig
Der Kuss ewigt den Augenblick
Freitag
Erlaubter Fernsehzauber
I
Elektronisch gellender Schrei
Ein Rot bei Blau im Gelb ein Grün
Schwarze Synonyme
II
Allbekannt:
Für Fruchtjogurt wirbt ein
Lächelndes Gesicht
III
Trugbilder
Beglücken auf dem Tisch
Eine Limonade
IV
Unverhofft
Verlesen die Nachrichten
Ein müdes ABC
V
Es winken
Ein Bergdoktor und zwei Ziegen
Absichtlich
VI
Zärtliche Unterlippen
Auf dem unschuldigen Bildschirm
Verschmelzen
Samstag
Zwei Stilleben mit Dialog
Eins
Die Parkbank
Errötet bei solcher Zärtlichkeit
Und
Zwei Spatzen oder mehrere
Kämpfen um ein Brotstück
Wobei eine Taube im Flug erkrankt
Und zwei Liebenden lächelt die
Sonne
Zwei Lippen ringen
Es sitzt der jüngste W. absichtlich gebeugt
- Rötlich das Wetter
heute -
- Es sind die Blätter, sie röten -
Zwei
Ein Stift und acht Blätter
Mehr
Als nur Alltags ein mal eins
Unbemerkt pausiert der Stift
Kleine Nichtigkeit
Oder
Ende einer Karriere?
Die Blätter gähnen
Müde wehen sie
Metaphernlos in der Zugluft
Auf den Boden
Und
Es denkt sich der jüngste W. nichts dabei
Sonntag
Offenes Fenster, Blick vorne
rechts
Kalte Luft lacht nicht
Umspült
Seine frierende Brust
Sonntag abends ziemlich spät
Als ein Auto los fährt
Hustet er
Würgend
Was gar nichts beweist
Glück kann man zerstören
Wenn man seine
Ursachen
Erklären will
Sieben Tage gottlose
Sterben armselig
Aus seiner Feder
Zwischen den Zeilen
Und irgendwo sitzt ein Druckfehler
Der Drang etwas mitzuteilen
Ein Tagebuch
Wird nicht einfach so geführt
Blick nach vorne rechts
Die Zukunft
Verbirgt sich verschleiernd
Nackt und ohnmächtig
stellt sich
Der jüngste W.
Seinem Morgen
- Kein Geistlicher wird ihn
begleiten -
Sagt Goethe
Soviel sei sicher