Marlies Tasser (15)

Carbonara

»Ich bin schwanger.«

Ihr laufen die Tränen übers Gesicht. Sie schneidet die letzten Zwiebelscheiben klein, sieht mit verschwommenem Blick zu ihrem Mann hinüber.

Er schaut sie kurz an, sieht aber wieder hinunter zu dem Speck. Es ekelt sie, wie er den Speck schneidet. Sicher dringt das Messer in das Fleisch, langsam. Sie wendet sich ab, um das Wasser für die Nudeln aufzustellen.

Wieder sieht sie zu ihm hinüber, nervös, wartet noch immer auf seine Erwiderung, während das Salz unaufhörlich in das Wasser rieselt. Die Blicke der beiden treffen sich; dann sieht er weg. Sie nimmt eine Pfanne aus dem Schrank, stellt sie auf den Herd, schüttet Öl hinein. Schließlich gibt sie die Zwiebeln in das heiße Öl und zieht ihrem Mann das Brett mit dem Speck weg, ohne ihn anzusehen. Schnell dreht sie sich um und streicht das Fleisch mit dem Messer in das brutzelnde Fett. Endlich kommt sie noch, die Antwort.

»Du willst es doch nicht behalten?«

Das Wasser kocht nun und brodelt.

Sie nimmt die Spaghetti in die Hand. »Du weißt doch, dass ich gute Chancen als Chefredakteurin habe, jetzt, wo der Alte in Pension geht.« Sie bricht die Nudeln in zwei Hälften. »Ich kann doch jetzt kein Baby kriegen. Es würde mir meine Zukunft ruinieren.«

Sie bricht die restlichen Nudeln in das Wasser. Er geht zum Kühlschrank, nimmt Eier und Sahne heraus.

»Denkst du, ich möchte jetzt ein Kind? Meine Schüler zeigen gerade erste Erfolge.« Er stellt Eier und Sahne ab. »Wir können wirklich nicht…«

Sie rührt konzentriert in der Pfanne. »Kannst du mir bitte den Pfeffer holen?«

Er geht zum Gewürzregal. Sie nimmt eins der Eier in die Hand.

»Wie hat das überhaupt passieren können?« Sie straft ihn mit einem zornigen Blick, und vor lauter Wut zerbricht sie das Ei über der Pfanne. Ohne zu rühren gießt sie die Sahne über die Eierschalen, nimmt die Pfanne und schiebt sie ihm vor die Nase.

»Da!!!«

Sie stürmt aus der Küche in ihr Zimmer. Er schaut ihr nach. Dann gießt er die Spaghetti ab und nimmt sich einen vollen Teller weiche Nudeln mit in sein Arbeitszimmer. Dort korrigiert er die Hausarbeiten seiner Schüler.