Cordula Simon (14)

Kriegspläne

Aufgeregt rannte Schlitzohr hin und her: "Es fängt schon wieder an. Sie haben wieder begonnen. Es geht wieder los!" rief er freudig. Er rannte die glühenden steinernen Stufen hinunter, direkt von Stockwerk 1 bis 34 in der Hölle. Am Ende stürzte er schon mehr als er ging, überschlug sich ein paar Mal und landete direkt vor den Füßen Luzifers, der alt und müde auf seinem Thron hockte und auf seine Zähne im Magma starrte.

rgendwann würde Schlitzohr hier herrschen, davon war er überzeugt, aber er war ja erst ein paar hundert Jahre alt, und so gesehenen, im Kleinkindalter, war das eigentlich noch kein richtiges Thema für ihn.

"Was schreist du denn da durch die Gegend?" fragte "Seine Bosheit" mit seiner rauhen Stimme.

"Die Menschen wollen wieder Krieg führen", lachte Schlitzohr, "Mit ganz neuen Waffen und ganz vielen Computern, und ganz, ganz vielen Menschen!"

"Wirklich?" Der Teufel hob die Augenbrauen.

"Nun ja, nicht ganz. Noch nicht. Aber es liegt schon lange in der Luft, und jetzt haben alle überall ihre Spione eingeschleust, ein paar Maulwürfe hier, ein paar Agenten da. Wirklich wahnsinnig amüsant. Und das nur, weil einer der Spione, die schon länger irgendwo sind, gestolpert ist … über mein Bein …"

"Über dein Bein", der Alte lachte auf, "das hast du gut gemacht."

Das Teufelchen lächelte mit dem niedlichsten Lächeln, das es hervorbrachte.

"Jedenfalls…" fuhr der Kleine fort, "…sind alle Waffen auf einer menschenleeren, einsamen, urwaldüberwucherten Insel gelagert. Alle. Und alle Länder glauben, sie wären die einzigen, die auf diese Idee gekommen sind."

"Anscheinend dauert es wirklich nicht mehr lange." Nachdenklich blickte Luzifer nach oben, "Dann bringen sie sich alle gegenseitig um." Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Er war all die kleinen Streitigkeiten mit Handgranaten Gewehren und Kamikazefliegern leid.

Das Erdendasein schien ihm wie ein einziger Kamikazeflug. Wenn dieser Krieg vorbei war, war alles vorbei.

Kein gewöhnliches Wesen könnte das überleben, was sich da in der hohen Gesellschaft des Homo Sapiens zusammenbraute.

Er kannte die Waffenbestände. Seine Teufelchen auf der ganzen Welt berichteten ihm davon. Alles würde kahl und leer aussehen.

Er wünschte allen Menschen ein hübsch vergnügliches Ableben, während er sich den Überwachungsbildschirmen zuwandte, um sich alles aus der Nähe anzusehen. Diese Bildschirme besaß er, seitdem es ihm zu mühsam geworden war, unsichtbar umherzureisen. Alle Teufel konnten sich unsichtbar machen, sodass nur er sie sehen konnte.

Er starrte auf einen der Bildschirme. Es war momentan ohnehin überall etwas Ähnliches zu sehen: irgendetwas zwischen Krimi und Actionthriller.

Plötzlich hörte er ein Knallen aus den Lautsprechern. "Hurra! Der erste Tote!"

Überall redeten sofort alle von Angriffen, Verteidigung, U-Booten und Kampfmaschinen. Codes wurden eingegeben und Knöpfe gedrückt. Man hörte schon aus jeder Richtung Befehle, die Waffen auf dieser dschungelverwachsenen Insel zu holen.

Luzifers Augen flimmerten nervös. Aufgeregt zuckten seine Ohren. Die Worte drangen in seinen Kopf ein, dass ihm beinahe schwindlig wurde. Plötzlich schrie er: "Lasst die Vulkane auf der Insel ausbrechen!"

Sofort schleuderten diese Asche und Lava aus ihren Kratern. Es schien, als regnete es Felsbrocken vom Himmel.

Das Magma drückte sich mit rasender Geschwindigkeit nach oben und sprengte ganze Berggipfel weg.

Die gesamte Insel war in Bewegung. Giftige Dämpfe stiegen auf und brachten alle Waffen zur Explosion.

Auf jedem Fernseher auf der ganzen Welt sah man, was die Satellitenbilder zeigten. Es war ein Feuerwerk aus Zerstörungsmitteln, dass beide Weltkriege übertraf.

Alle Menschen sahen, was mit ihnen geschehen hätte können, wenn eine "Naturkatastrophe" es nicht verhindert hätte.

Noch am gleichen Tag, während die Vulkane noch immer Feuer spuckten, trafen sich alle Staatsoberhäupter, Monarchen, Diktatoren und Präsidenten, um zu unterschreiben, keine Waffen mehr herzustellen und alles Menschenmögliche zu tun, um den Frieden zu erhalten.

Und alles, was ich tun kann, ist hier zu sitzen und zu schreiben, dass ich Angst um meine Freunde hatte, die in anderen Ländern leben, dass ich Angst hatte, die Welt könnte sich in einen grauenhaften Klumpen Materie verwandeln, auf dem kein Leben existieren könnte. Ich weiß, was passiert ist, und es hat mich zum Nachdenken gebracht, denn mit dem Spruch: "Ist ja gerade noch mal gut gegangen" ist noch nichts vorbei. Deshalb schreibe ich jetzt auf, was ich weiß, damit es alle nachlesen können. Denn auch ich bin wie gebannt vor dem Fernseher gesessen, als die Zerstörung der Insel gezeigt wurde, als Lavaströme alles überflossen und der Aschenregen die Landschaft unter sich begrub, und alles dort alles zu einer grauen, toten, öden, abgestorbenen Wüstenlandschaft machte.

Hundert Meter Asche verwischten jegliche Spuren von Leben oder Tod.

In der Hölle blieb allen Wesen der Mund offen stehen. Warum, um Höllens Willen, hat Luzifer genau das Gegenteil von dem getan, wovon er immer geträumt hatte? Was ist mit ihm passiert? Haben ihn seine Eltern mal in ein Engelchen-Feriencamp geschickt? Ist er krank oder dreht er durch?

Man sah die Wut in seinen Augen. "Marsch in deinen Kochtopf!" schrie er Schlitzohr an.

Langsam und nachdenklich schlich er zur Tür, da drehte er sich noch einmal um und sagte leise: "Du hast sie gerettet", während dem Alten eine große Träne langsam über die Wange rollte, "Du hast sie alle gerettet."