Mona Schwitzer (15)

Weiß – Wie der Frieden?

Er hatte wieder eine dieser schrecklichen Nächte hinter sich. Sein Feldbett krachte und knarrte, als er sich streckte.

Die Kampfjets waren die ganze Nacht über ihrem Lager gekreist und hatten Bomben über dem nahegelegenen feindlichen Dorf abgeworfen. So hatte er nicht einmal die vier Stunden nützen können, um sich ordentlich auszuschlafen. Er setzte sich auf, kleidete sich an und nahm sein Maschinengewehr vom Nachttisch. Er wollte sich schon umdrehen und gehen, als die traurigen, braunen Kulleraugen seinen Blick bannten. So hoffnungs- und erwartungsvoll sahen sie ihn an. Noch so unschuldig und unbeeindruckt von dieser Welt und ihren Tücken.

Er nahm das Foto in die Hand und küsste es zärtlich. Mit seinem Finger fuhr er vorsichtig über die kindlichen Backen und das feine Haar. Ein kleiner, noch nicht ganz erloschener Hoffnungsschimmer loderte wieder in ihm auf, als er seine Tochter, sein eigen Fleisch und Blut, seinen größten Schatz, sah. Er wusste, er musste diese Hölle überstehen, um zu ihr zurückkehren zu können.

Seine Augen waren starr, und seine Ohren halbtaub geworden. Er sah nur mehr Feuer und Bombeneinschläge, und hörte nichts als Maschinengewehre und Schreie. Er war froh, die Leute nicht sehen zu müssen, die hilflos umgebracht wurden. Als Bombenfutter des Staates. Der feinen Damen und Herren "von oben".

Sie waren den Feinden wehrlos ausgeliefert. Wie kleine Kinder im tiefen Ozean. Wie Vögel ohne Flügel. Bienen ohne Stachel. Ein Wettlauf ohne Ende.

Er sah durch das Fernglas auf die Ruine des gegenüberliegenden Hauses. Es regte sich nichts mehr. Kein Funken Leben war mehr zu entdecken.

Doch sein Kamerad hörte nicht auf zu schießen. Auf dessen Gesicht lag ein zufriedener Ausdruck. Durch sein überlegenes, höhnisches Lächeln wirkte er böse, unberechenbar.

Er blickte weiter durch das Fernglas. Plötzlich zog seinen Blick etwas an, hielt ihn gefangen. Traurige, braune Kulleraugen sahen ihn tränenerfüllt an.

Ein kleines Mädchen stand mitten in den Trümmern ihres Zuhauses. In der Hand eine weiße Blume, stand sie da, regungslos.

Er begann zu schreien. Zu verblüffend war die Ähnlichkeit mit seiner Tochter, als dass er darüber hätte hinwegsehen können. Er wollte das Schicksal verhindern. Wollte dagegen ankämpfen, dass ein kleines Mädchen, noch am Anfang ihres Lebens, daraus gerissen wurde.

Doch es stand nicht in seiner Macht den Lauf der Dinge zu verändern. Sein Schreien war nicht laut genug, um die Mauer des Grauens, des Verbrechens, des Tötens zu durchdringen.

Noch einmal hob er mit zittrigen Händen das Glas und blickte hindurch. Doch von dem Mädchen war nichts mehr zu sehen. Er schaute genauer, suchte verzweifelt, doch es war kein Leben mehr zu entdecken.

Da sah er etwas unscharfes Rotes. Er drehte am Okular, und mit der Schärfe kam die Erkenntnis.

Mitten in der Blutlache lag eine weiße Blume.