Lydia Scherenzel (18)

Waschtag

Er saß im Schneidersitz auf dem Boden und betrachtete die Wäscheleine, die von der Mitte der rechten Wand bis zur linken hinteren Ecke des Raumes gespannt war. Sie bestand aus drei Schnüren, von denen zwei bis an den Rand mit Hemden behängt waren, während die dritte eine Reihe Hosen trug.

»Ist es richtig so?« fragte er mit einem kaum merklichen Kopfnicken in ihre Richtung; »Es ist doch so, wie du es wolltest, nicht wahr? Genau so…«

Er wandte sich wieder den Hemden und Hosen zu, die noch so nass waren, dass in regelmäßigen Abständen kleine Wassertropfen auf den Boden fielen. Das Geräusch, das sie verursachten, hallte von der Stille wider, laut, unnatürlich beinah.

»Genau so«, wiederholte er leise und machte dabei eine vage Geste in Richtung der Wäscheleine.

Er lächelte, als er daran dachte, wie sie die Schüre gespannt und all seine Einwände mit einer wegwerfenden Geste fortgewischt hatte, weil sie meinte, der Wäscheständer im Bad sei nicht mehr groß genug und ihre Wäsche brauche Platz, um richtig trocknen zu können. Sie hatte einen Hocker gebraucht, um die Enden an der Wand zu befestigen, und selbst dann war sie noch zu klein gewesen und musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um die passende Höhe zu erreichen. Er hatte ihr zugesehen, wie sie sich streckte und ihr Körper über sich selbst hinauszuwachsen versuchte, und hatte dabei ein Lied gepfiffen, bis sie sich wütend zu ihm umwandte, jedoch ohne ihn um Hilfe zu bitten.

»Es war schön«, sagte er zu ihr und lehnte den Kopf leicht auf die Seite, so als lausche er einem fernen Geräusch. »Du erinnerst dich doch?«

Sie antwortete nicht, und ein leichtes Zittern ging durch seinen Körper. Er warf einen kurzen erschrockenen Blick auf sie, die ausgestreckt auf dem Sofa lag, senkte jedoch die Augen sogleich wieder, scheu, ängstlich beinah.

»Ist dir kalt?« fragte er, ohne sie anzusehen. »Ich kann das Fenster zumachen, du brauchst es nur zu sagen.« Seine Stimme war leise und unsicher; es klang, als zitterte sie ein wenig.

Er verharrte noch einen Augenblick, den Kopf leicht erhoben, in Erwartung ihrer Antwort; doch sie blieb stumm, und so senkte er seinen Blick auf den Parkettboden zu seinen Füßen.

»Wie du meinst«, sagte er leise und starrte auf seine Zehen, die sich langsam hin und her bewegten.

»Aber du wirst frieren.«

Er streckte die Beine aus, lehnte sich zurück und legte sich gerade auf den Boden, genau unter die Wäscheleine. Die Wassertropfen fielen auf seinen Pullover, blinkten kurz glitzernd auf und versickerten dann. Er rührte sich nicht.

Ein Lächeln huschte auf sein Gesicht, erhellte es und setzte sich dort fest, als er an ihre erste Begegnung dachte.

Ihre Waschmaschine war kaputt gewesen, und er war gekommen, um sie zu reparieren. Neben der Badewanne stand ein Wäscheständer, der sofort seine Aufmerksamkeit auf sich zog; er war voll behängt mit Socken, die nach Farben und Länge sortiert und mit bunten Klammern an die Schnüre geheftet waren.

Sie bemerkte seinen Blick und sah ihn an.

»Ich wasche immer alle Socken auf einmal«, sagte sie, und weil er es zugleich selbstverständlich und absonderlich fand, lachte er ein wenig.

»Bleibst du noch auf einen Kaffee?« fragte sie da, und es erschien ihm gar nicht seltsam, dass sie ihn plötzlich duzte. Also war er geblieben.

»Sag es doch, wenn dir kalt ist.«

Er begann, leise vor sich hin zu summen, und hob die Hände, die Innenseiten nach oben gewandt, um die herabfallenden Wassertropfen aufzufangen.

Auf dem Boden neben ihm hatten sich bereits kleine Pfützen gebildet, doch er stand nicht auf, um sie wegzuwischen. Statt dessen tauchte er die Finger hinein und zog feuchte Linien über den braunen Parkettboden.

»Schläfst du?« fragte er dann, leise.

Sie antwortete nicht, und er legte seine Hände wieder still neben seinen Körper und starrte nach oben, auf die Wäscheleine.

Diesmal also waren es Hemden und Hosen; am Tag zuvor waren es Pullover gewesen, davor Unterwäsche, ein andermal Socken und T-Shirts, und immer so fort.

Er hatte sie einmal danach gefragt, warum sie denn die Wäsche nicht wusch wie andere Leute auch, nach Farben und Stoffen sortiert anstatt nach Art der Kleidungsstücke; sie war sofort wütend geworden und hatte ihn angeschrien, bis sie schließlich leise sagte: »Es ist doch viel schöner so, findest du nicht?« und er hatte nichts anderes vermocht, als zu nicken und sie in die Arme zu nehmen.

Er drehte jetzt den Kopf leicht zur Seite, sodass seine Wange den Boden berührte und seine Augen in ihre Richtung blickten.

»Die Socken«, sagte er und hielt kurz inne, bevor er weitersprach; »die Socken, weißt du, habe ich immer am liebsten gemocht.«

Er setzte sich auf, halb ihr zugewandt, verschränkte die Beine wieder im Schneidersitz und begann, leicht vor und zurück zu schaukeln, wobei die Bretter des Bodens leise knarrten.

»Ich weiß doch, dass du nicht schläfst.«

Er brach ab, hielt aber nicht in seiner Bewegung inne.

»Warte, das wirst du mögen«, sagte er mit einem plötzlichen Ausdruck von Freude auf dem Gesicht. »Ich werde die Waschmaschine anfüllen, mit Socken oder Blusen oder was immer du willst, und dann sehen wir zu, wie sie die Wäsche im Kreis schleudert, du weißt schon… du magst doch das Geräusch, mit der die Knöpfe an die Blechwand schlagen… ich weiß doch, dass du es magst.«

Er verstummte, durchbrach die Monotonie seiner Bewegung und wandte sich nun ganz ihr zu, die immer noch still auf dem Sofa lag. Ihr rechter Arm war herabgesunken, und ihre Fingerspitzen berührten beinahe den Boden.

»Ich kann auch Kaffee kochen, wenn du es möchtest…«, sagte er leise, flehend fast. Einen Augenblick noch verharrte er auf dem Boden, dann stand er auf und trat neben sie.

»Sag doch was«, flüsterte er. »Oder willst du lieber schweigen? Du brauchst es nur zu sagen, dann bin ich auch still.«

Er ließ sich auf die Knie herabsinken, beugte sich über sie und strich mit den Fingerkuppen über ihr Gesicht, die Schulter hinab, bis zu ihrem nackten Arm. Sanft streichelte er die kalte Haut.

»Ich habe dir doch gesagt, dass du frieren würdest.«