Martin Kroissenbrunner (17)

Fallschirmsprung

Ich kaufe im Billa das Erdbeerjoghurt und vergesse fast auf Ivos Kotnspitz, und als ich mich dafür anstelle, denke ich an Glas und wie es das Licht widerspiegelt. Ich bin ein solcher Spiegel, glaube ich. Ich sage viel zu höflich danke und zahle den Kornspitz.

Manchmal bin ich unsichtbar. Das ist, wenn deine Freunde stundenlang reden, ohne dir eine Frage zu stellen, einfach weil sie vergessen, dass du da bist. Meistens lässt du dann deine Füße locker in irgendein Wasser hängen und denkst dir – gut. Gut, daß mich keiner sieht. Gut, daß mich keiner nach der Uhrzeit fragt. Manchmal nehme ich auch das Bananenvanillejoghurt, doch es schmeckt meistens nur nach Zucker.

Ivo sitzt neben mir im Wagen, isst seinen Kornspitz, und ich muss seine Haut ansehen, seine braune Flaut. Mt den schwarzen Bartstoppeln, die bestimmt wie Sandpapier stechen. Ich muss an seine Heimat denken, an seine Heimat, wo es nur den Krieg gibt, vor dem er irgendwann geflohen ist, den Krieg und Kalkgestein. Ich stelle mir diese Gegenden vor wie rostige Badewannen, gigantisch große, rostige Badewannen. Ich denke, an meinen Großonkel, der seit der Zeit der Invasion Angst vor Russisch hatte. Er konnte kein Wort davon hören. Sie haben damals die Emilie vergewaltigt, seine Frau. Wenn es in Gesprächen um die Ausländer geht, scheint er immer sehr froh zu sein, dass er eine dicke Brille hat. Ivo spricht völlig akzentfrei. Ich will seine Stimme hören.

"Hast du die Zettel in der Inspektion g’lass‘n, Ivo?"

Ich habe es geschafft, seinen Namen unterzubringen. Jetzt sieht er mich an.

"Na, die sind im Koffer." Er holt die Papiere, die wir noch durchgehen müssen, wegen einem familiären Zwischenfall, den wir gestern aufgenommen haben. Ein kleines Männchen, das jeden Tag seine kleine Frau schlug und dreizehn Flaschen Gösser im Kühlschrank stehen hatte, als wir kamen, nachdem eine Nachbarin uns angerufen hatte. Ivo ist still und ernst. Als wir an der Frau vorbei zur Tür gehen, legt er die Hand tröstend auf ihre Schulter, für einen flüchtigen Moment nur. Ivo ist gut mit seinen Händen. Sie sind immer genau da, wo sein Herz sie haben will, und es sieht so mühelos aus.

Der Sepp, mein Schwager, der schon etwas älter ist, sagt, auf die dunkelhäutigen Gutaussehenden mit fremden Namen muss man aufpassen, die nehmen uns unsere Frauen weg. Wenn ich Ivo anschaue, kann ich das verstehen. Niemandem hat eine Polizeiuniform je so gut gestanden. Mein Joghurtbecher ist leer.

"Harald", fragt Ivo.

Ich sehe ihn an.

"Nichts", sagt er dann. Ich bleibe kurz mit den Augen an ihm hängen, wir schweigen. Hätte er nur etwas gesagt. Ich höre ihn so gern reden.

Als wir das erste Mal Streife gefahren sind, war er noch sehr still. Wie wir ins Reden gekommen sind, weiß ich nicht, ob er je einen Akzent gehabt hat, keine Ahnung, ich habe ihn nie mit einem sprechen gehört. Niemand merkt, dass er aus dem Ausland kommt, meine Frau hat es auf dem Polizeiball auch nicht erraten, als ich ihn ihr vorgestellt habe. Die beiden zusammen zu sehen, war komisch, die Lotti und den Ivo. Lachen, blinzeln und Punsch trinken. Ich wollte irgendwann nicht mehr hinsehen. Weil mir so eindeutig klar gewesen ist, wen ich mehr liebe.

Ich habe Ivo nur ein einziges Mal nackt gesehen. Das war in den Duschen bei unserem Sommerfest mit Gattinnen und Familie, in einem Schwimmbad mit Freizeitarena. Er hat sich vor dem Schwimmen geduscht und stand nackt im Ankleideraum, als ich herein gekommen bin. Er ist wunderschön. Ich bin so froh, daß er so dunkle Haut hat, denn sie erinnert mich an Kaffee oder Schokolade oder an etwas anderes – auf jeden Fall etwas,- das man schmecken könnte, ganz bestimmt. Ivos Geschmack stelle ich mir würzig vor, wie Salz vielleicht. Ich bin an ihm vorbeigegangen und habe locker irgendetwas Komisches von mir gegeben. Wenn man zu zweit Streife fährt, Polizisten wie wir, dann ist das vollkommen normal, sich einmal nackt zu sehen. Das kommt vor. Oder man pinkelt gemeinsam in die Büsche, oder man redet über Frauen. Ivo und ich reden nie über Frauen. Wir reden eigentlich kaum. Ivo ist immer still. Und ich eigentlich auch.

Wir kriegen einen Funkspruch. Es wird langsam Abend. Wir fahren über eine Hauptstraße in die Innenstadt, in einem Randbezirk am anderen Ende der Stadt hat es eine Schlägerei gegeben. Etwas mit brutalem Ausgang zumindest. Ivo hat die Hände fest am Steuer.

Fünf Burschen sind es. Ihre Köpfe sind kahlgeschoren, in einer Reihe stehen sie da, während Ivo, drei Kollegen und ich sie im Zaum halten. Wir haben ihnen vorerst Handschellen angelegt. Der blutverschmierte, deformierte Körper, der sich unter Schmerzen krümmt, als die Sanitäter ihn auf die Bahre laden, ist ein junger Mann türkischer Abstammung, wie man den hasserfüllten Schreien der fünf Jugendlichen entnehmen kann. "Türkensau", schreien sie, und "Tschusch", die Tiraden, die man mindestens aus dem Fernsehen kennt.

Ivo steht still. Ich sehe ihn genau an, wenn ich an ihm vorbeigehe, ich passe auf. Seine Hände hängen tatenlos herab. Kein Zucken seiner Miene verrät Nervosität. Wie immer hat Ivo alles unter Kontrolle. Sie erkennen nicht, dass er aus dem Ausland kommt. Einer der Skinheads spuckt aus und kreischt etwas von "Bullenschweine, Tschuschenfreunde". Die Spucke ist gleich neben Ivos Füssen gelandet. Aber er rührt sich nicht. Er harrt aus wie ein Stein. Oder wie ein Löwe. Dennoch kann ich nicht umhin – ich will ihn in den Arm nehmen. Ich will mit ihm weg von hier.

Sie haben den jungen Türken festgebunden und mit Steinen und Gösserflaschen beworfen, sie haben sich abgewechselt, recht systematisch das Ganze. Ich will irgendwohin, wo es nur eine Straße gibt, eine gerade Straße bis in den Horizont hinauf, nur ich und Ivo und unser Streifenwagen. Sie haben ihm so oft und so fest ins Gesicht getreten, dass die Ärzte sein Gesicht kaum mehr wiederherstellen können – er wird zeit seines Lebens wie eine Mumie aussehen. In seinen Rücken haben sie mit Glasscherben ein Hakenkreuz geritzt – die Narben der tiefen Schnittwunden werden es ihm nicht wirklich je wieder erlauben, schwimmen zu gehen. Ivo hat die Hände nach wie vor fest am Steuer, als wir nach Hause fahren. Kein Wort. Es ist kurz vor elf.

Ivo und ich stehen am Pissoir im Klo auf der Wache. Ich sehe den Spiegel in der Ecke glänzen. Ivo sieht müde aus.

"Du gehst besser ins Bett, Ivo", sage ich zu ihm. Er nickt, wischt sich mit der Hand über die Augenbrauen. Wir waschen uns die Gesichter in Waschbecken. "Oder magst noch was trinken gehen?"

Ivo sieht vom Spiegel weg, zu mit. Seine Augen sind ganz groß und scheinen voller Wasser zu sein, oder aus Glas. Riesig sehen sie von hier aus. Er öffnet den Mund, um mir etwas zu sagen, aber er sagt es nicht. Schade. Ich würde so gerne wissen, woran er jetzt denkt, und ob er diese Skinheads töten würde, wenn er könnte. Würde ich es denn? Würde ich ihnen etwas antun? Oder würde ich sagen, dass das alles Kinder sind?

Ich fahre nach Hause. Ich finde Ivo nirgends, um ihm gute Nacht zu sagen.

Lotti hat noch ein Gulasch stehen, das sie aufwärmt.

"Das ist lieb von dir, dass du jetzt noch aufstehst", sage ich zu ihr. Normalerweise schläft sie schon, wenn ich heimkommen in unserem Bett. Mir wird da immer so heiß, die Decken sind bestimmt zu dick. Sie küsst mich auf die Wange. Ich esse mein Gulasch und fühle mich krank, so als wolle ich irgendwo in einer kalten, klaren, frischen Luft sein, irgendwo über den Bergen in der roten Luft schweben und an einer Tankstelle arbeiten und Orangen essen.

Ich möchte gesehen werden. Lotti sieht mich nicht. Als ich ins Bett gehe, schnarcht sie schon, ganz leise. Ich fasse mit der Hand an ihren Mund, sie schmatzt kurz und dreht sich auf die andere Seite. Ich umfasse ihre Brust, dann streiche ich ihr übers Haar. Wie kann man sich nur so abhanden kommen? Ich schlafe schnell ein, und ich denke an eine große, kugelförmige Welt, die sich weiterdreht, während ich und Ivo schlafen, Ivo irgendwo in seinem Haus. Ich träume.

Sein Haus hat einen kleinen Garten. Er hat in meinem Traum eine Frau und drei kleine, sehr dunkelhäutige Kinder. Sie spielen im Garten. Ich und Lotti sind zum Essen eingeladen, und es riecht schon sehr gut. Seine Frau ist farblos und sieht aus wie ein Wasserglas, das man zum Malen mit Wasserfarben verwendet, so ein graues, violettes, farblos schwimmendes Etwas.

Ivo hat sein Hemd recht weit offen, wie immer sieht er umwerfend aus, an der Küchentheke lehnend und aus dem Fenster sehend. Sein schlanker Körper folgt seinen Bewegungen so gelassen, elegant und fast gemeißelt, wie immer. Ivo hat die Kontrolle. Nach dem Essen geht er mit mir in seinen kleinen Wintergarten, einen botanischen Innenhof voller Licht. jetzt zeige ich dir, was ich sonst mache", sagt er und lächelt. Und dann zeigt er es mit. In seinem Garten hat er lauter Frieden angezüchtet. Frieden in allen Farben und Formen. Er hat seine Friedenskultur gepflegt, hätschelt und gießt sie in genau abgestimmten Intervallen. Ich rieche an seinen Frieden, sie duften herrlich. In meinen Händen spüre ich ein Kribbeln. "Das ist so wahnsinnig schön", sage ich. Dann dreht er sich zu mir um und küsst mich sanft und warm.

Ich wache auf und vergesse alle Bilder des Traumes. Nur der Kuss bleibt bei mir.

Es ist fünf. Ich liege da und schwöre, dass ich Ivo niemals loslassen werde. Und dass ich an ihm und an allem, was er ist, hängen werde, für immer. Ich habe keine Wahl mehr. Nach sechs stehe ich so lange unter der Dusche, dass meine Haut nasser Wellpappe gleicht.

Ivo, ich und die anderen sind auf einer von der Hauptstation organisierten Besichtigung im KZ Mauthausen. Danach werden wir Enns besuchen. Es ist kühl hier oben. Der Wind weht. Der Mann, der die Führung macht, erzählt von den Zuständen im Lager. An den Mauern steht, wie sie einen tapferen Freiheitskämpfer im Winter gefoltert und dann nackt mit kaltem Wasser übergossen solange ausgesperrt hatten, bis er bei lebendigem Leib zu einem Eisklumpen wurde. Sie schreiben weiters auf die Plakette, dass ihn die Nazis nicht brechen konnten. Bis zum Ende stand er tapfer hinter seiner Überzeugung. Ich stelle mir das Eis vor, und wie das ist, langsam einzufrieren. Wie das ist, allein irgendwo an diesen Mauern zu stehen, nackt und geschunden und mit eiskaltem, eiskaltem Wasser übergossen.

Ich bleibe in Ivos Nähe. Ich weiß, dass er keine Spur von Regung zeigen wird, ich sehe ihm nicht ins Gesicht. Ich merke, wie die anderen Kollegen ihn auch immer wieder ansehen. Still und leise wandern Gedanken wie Flüstern durch die Köpfe der anderen Polizisten von unserer Wache, die wissen, von wo Ivo kommt. Sie fragen sich sicher alle, was er denkt. Manche fühlen sicher Schuld. Und manche vielleicht sogar so etwas wie Wut. Nicht Ivo. Ivo ist still. Er hat die Hände in den Jackentaschen, als wir in die enge kleine Gaskarnmer gehen. Ich würde gern seine Hand halten. Das Gas ist nicht wirklich aus den Duschköpfen gekommen, hören wir. Dann hören wir von der "Fallschirmspringermauer" am Steinbruch, die die Nazis so genannt haben, weil Dutzende der Steinbrucharbeiter dort oben einen Sprung in die einzige Richtung gemacht haben, die ihnen noch blieb – sie sind hinuntergesprungen und vielleicht im tiefen Felsentümpel ertrunken, vielleicht auf die Felsen geprallt. Als wir auf der Todestreppe stehen und am oberen Ende der Mauer, geht mir ein komischer Gedanke durch den Kopf – ich rnuss außen gehen, damit Ivo auch ja nicht springt. Ich kann nur den Kopf schütteln. Trotzdem gehe ich vorsichtshalber außen.

Nach zehn Minuten sitzen wir wieder im Tourbus. Ivo sitzt auf dem Doppelsitz neben mir und sieht zu dem Lager zurück, als wir wegfahren. In seinem Schoß hat er einen Granitsplitter. Er hat ihn im Steinbruch aufgehoben.

Ivo sieht heute anders aus. Wir fahren gerade am Park entlang, und er hat dunkle Ringe unter den Augen. Der Granitsplitter liegt auf dem Armaturenbrett. Ich habe große Angst um ihn.

"Ivo, was ist denn los?"

Ivo schüttelt den Kopf.

"Magst nicht drüber reden", frage ich unbeholfen.

"Harald", sagt Ivo.

Und in dem Moment reiße ich das Lenkrad herum, ohne zu wissen, was ich tue, und biege in einen kleinen Parkplatz unweit einer großen Wiese am Fluss, in der alte Leute alte Hunde spazieren führen.

"Ivo, ich schleppe jetzt schon seit Ewigkeiten etwas mit mir herum", sage ich und kann es nicht fassen. Doch die Worte kommen. Aus meinem Mund. Ich sage sie. Ivo sieht leicht verwundert auf meine verschwitzten Haare. Kurz berühre ich seine Hand.

Ich habe unlängst von seiner Frau und seiner Familie geträumt, obwohl ich weiß, dass er ein lediger Junggeselle ist. Wäre er verheiratet, hätte ich sicher nie gesagt, was ich jetzt sage: "Ivo, seit ein paar Monaten hab‘ ich … so ein komisches Gefühl … ich – bin ja verheiratet. Das weißt du. Und ich … bin nicht schwul, also, ich war es nie, ich war noch nie in einen Mann verliebt. Eigentlich war ich noch nie verliebt. Aber ich liebe dich. Und das weiß ich."

Ivo ist still, wie immer. Für eine lange Zeit. Mir scheint es eine Ewigkeit zu sein. Ich zwinge mich, nicht wegzugehen.

Dann schluckt Ivo hart. Er fragt mich etwas, und erst höre ich nicht, was er sagt, aber dann kommt es ganz deutlich aus seiner krächzenden Kehle. Ivo fragt: "Warum?"

In Träumen und Gedanken, in Geschichten hätte ich jetzt fünfzehntausend gute Gründe anführen können. Jetzt kann ich nicht einmal den Mund aufmachen. Ich sehe ihn einfach. Das ist alles. Ich sehe ihn. Er ist da. Mehr könnte ich jetzt als Grund nicht anführen. Also sage ich: "Ich weiß es nicht."

Ivo schüttelt den Kopf, dann berührt er mich. Mit den Händen, die immer da sind, wo sein Herz sie haben will, die seinen kleinen Friedensgarten so sorgfältig aufgebaut haben. Er berührt mich. Er lächelt kurz, sieht so traurig aus, so traurig. Sein Blick verschleiert sich. Dann sagt er: "Meine Schwester hat mir heute einen Brief geschrieben. Meine Eltern sind gestorben. Eine Bombe."

"Es tut mir leid, Ivo."

Ich sehe seine Haut aus der Nähe. Sie hat nichts Braunes mehr an sich. Sie ist aschfahl.

Ich muss an Eis denken. Ivo, irgendwo draußen in der Nacht, übergossen mit kaltem Wasser. Ivo, der sich vom Felsen im Steinbruch stürzt. Wasser um ihn herum, und er sinkt, er geht unter. Wasser, das von seinem kleinen Friedensgarten gestohlen wird. Seinem verdörrten, welkenden Garten.

Ivo fasst sich wieder und holt tief Luft. Was auch immer nun aus uns werden wird, es beginnt jetzt, sagt er leise. Dann sieht er mich an und lächelt. Er küsst mich auf die Stirn.

Und so stehe ich wieder im Billa. Ich fühle meine ganze Welt um mich herum langsam platt werden, so, als würde jemand aus einem Luftschloss den Stöpsel herausziehen. Ich kaufe das Erdbeerjoghurt und vergesse fast auf Ivos Kornspitz, und als ich mich dafür anstelle, denke ich an Glas und wie es das Licht widerspiegelt. Ich bin ein solcher Spiegel, glaube ich. Ich bin Ivos Spiegel. Ich sage viel zu höflich danke. Manchmal bin ich unsichtbar. Das ist, wenn deine Freunde stundenlang reden, ohne dir eine Frage zu stellen, einfach weil sie vergessen, dass du da bist. Meistens lässt du deine Füße dann locker in irgendein Wasser hängen und denkst dir – gut. Gut, dass mich keiner sieht. Gut, dass mich gerade jetzt keiner nach der Uhrzeit fragt. Manchmal kaufe ich auch das Bananenvanillejoghurt, doch es schmeckt meistens nur nach Zucker.

Manchmal träume ich noch von ihm. Davon, wie ich eines Abends, ein paar Wochen miteinander auf Streife verbrachte und abends zusammengesessener Zeit später, von ihm zuhause abgesetzt worden bin. Ich hätte ihn küssen können, vielleicht hätte er es sogar zugelassen, getan habe ich es aber nicht. Trotz all der schönen Zeit: Wenn man einen Menschen verloren hat, merkt man das. Das Gegenlicht der Straße hat ihn an jenem Abend fast schwarz werden lassen. Nicht aber seine Augen, groß und weiß, wie sie waren. Als ich mich zu ihm umdrehe, sehe ich, dass Ivo weint. Es ist das einzige und letzte Mal, dass ich ihn weinen sehe. Ich kann nur stumm dastehen und ihn fragen: "Was ist denn los, Ivo?"

Er wischt sich die Tränen von seinen Augen und stöhnt leise auf, um Luft zu holen, und sieht mich an.

"Ich will nach Hause, Harald", sagt Ivo, und ich verstehe so gut, was er meint.

Ich habe ihn nie wieder gesehen.