Gábor Fónyad-Joó (17)

Die neue Freude am Schenken

Wie groß kann die Freude sein, wenn man von einem Menschen, der einem viel bedeutet, ein Geschenk erhält! Dieses kommt von Herzen, und man weiß um die Bemühungen, die dieses Familienmitglied, dieser Freund unternommen hat. Er zermartete sich tagelang den Kopf darüber, was er diesem Menschen zum Präsent machen könnte. Als Dank würde ihm einzig diese unbeschreibliche Freude genügen, die der Erhalter seines Geschenks hervorbrächte.

Um es auf den Punkt zu bringen: Diese Freude hält sich in Grenzen. Was soll ich schließlich mit einer Zündholzschachtel anfangen, aus der, wenn man sie öffnet, ein daumengroßer Kasperl herausspringt, der auf der Brust stehen hat: »Heute wirst du 17 – Juchu!«?

Oder wenn ich jedes Jahr das gleiche Paar warme Wintersocken von meiner Großtante bekomme?

Aber auch jene praktischen Erfindungen, wie zum Beispiel Becher, die bereits einen Strohhalm an der Innenseite befestigt haben, gehören zu meinem engen Favoritenkreis.

Es stand wieder einmal Weihnachten vor der Türe, und ich nahm mir fest vor, dieses Jahr solchen Unannehmlichkeiten zu entgehen. Zumindest von meiner Seite her. Ich würde niemanden mehr wie jedes Jahr mit »Oh Tannenbaum«-singenden Schneemännern beglücken.

Ich ging also schematisch vor: Meinen Freunden und nicht unmittelbaren Verwandten erzählte ich, daß meine Geldbörse mit meiner Kreditkarte beim Tiefseetauchen abhanden gekommen wäre. Sie glaubten es.

Meiner Klavierlehrerin machte ich weis, daß ich nichts mehr von so einem kitschigen Zeug hielte, da ich Zeuge Jehovas geworden wäre. Sie war von meinem Geisteswandel weniger begeistert. Ich auch nicht.

Nun wurde die Angelegenheit heikler, da meine Familie an der Reihe war. Ich begann mit meinem Vater. Tag für Tag schlenderte ich durch die Kärntner Straße, durch die Ringstraßengallerie, die Mariahilfer Straße hinauf und wieder hinab – erfolglos. Da mein Vater ein bescheidener Mensch ist, würde er nie wagen, eine Wunschliste oder etwas dergleichen zu erstellen.

Doch als ich mich mit ihm eines Abends unterhielt, schien er ein wenig verstimmt zu sein. Ich fragte, was denn los sei. Er habe seine Pfeife verloren. Man muß wissen, daß mein Vater gelegentlich, jedoch keineswegs leidenschaftslos, seine Tabakpfeife pafft. Ich erkannte den Ernst der Lage und kaufte gleich am nächsten Tag eine schöne, hölzerne Tabakpfeife.

Ich war stolz auf mich. Daß er mit diesem Geschenk zufrieden sein und daß er es nicht nur mit einem »Hübsch« oder einem »Hach, wie originell« kommentieren würde, dessen war ich mir sicher.

Etwas, was man verloren hat, bekommt man gerne zurück. Also schlich ich nächste Nacht in die Küche und ließ einen Hammer aus zwei Meter Höhe auf die Lieblingsteetasse meiner Mutter sausen.

Ich war zutiefst beeindruckt von meiner Genialität, als meine Mutter in der Früh mit der dampfenden Teekanne in der Hand verdutzt vor ihrer Teetasse stand, die nun einem Scherbenhaufen glich.

Schon am Nachmittag war ich im Besitz der gleichen Tasse, mit der gleichen hellblauen Verzierung. Ich konnte wirklich mit meiner Kreativität bei der Geschenkeauswahl zufrieden sein.

Sobald meine Schwester am nächsten Morgen die Wohnung verließ, machte ich mich an ihrer Stehlampe zu schaffen. Da man allerdings aus Fehlern lernt, begnügte ich mich diesmal damit, die Lampe bis zur Bescherung unter meinem Bett versteckt zu halten, anstatt sie aus dem zweiten Stock zu schmeißen oder sie der Straßenbahn zum Opfer fallen lassen. Somit mußte ich den Erwerb einer neuen Lampe nicht finanzieren. Ich packte sie lediglich schön ein, und sie sah aus wie neu.

Weniger später schon beklagte mein Bruder den Verlust seines linken Hausschuhs. Wo mag der bloß sein? Ich stand händereibend hinter der Türe und lauschte seiner Standpauke, die er diesbezüglich an unseren Hund hielt.

Ich konnte Heilgabend kaum mehr erwarten. Als alle ihre Geschenke ausgeteilt hatten, stolzierte ich mit meiner Beute herein. Die Begeisterung kannte keine Grenzen. Man lobte die Sorgfalt, mit der ich beim Einkaufen am Werke war.

Mein Vater beobachtete paffend die Bescherungszeremonie, während meine Mutter die Teetasse im Safe verstaute.

Meine Schwester war vollkommen entzückt über ihre neue Stehlampe, die ja natürlich um einiges größer und überhaupt besser war als ihre Vorgängerin, und mein Bruder wußte seine Freude über einen linken Hausschuh, der seinem rechten verwechselnd ähnlich sah, kaum auszudrücken.

Ich bekam neben den üblichen praktischen Geschenken (unter anderem eine Weihnachtskerze, die man mit einem Lichtschalter anzünden kann!) und neben den warmen Wintersocken ein Kopfkissen, in dem ein Radio eingebaut ist.

Es erstaunt mich immer wieder, wozu die Wissenschaft fähig ist. Jedoch wäre ich nächstes Jahr für einen sehr, sehr großen Kasten dankbarer, in dem Platz für das Klavier meiner Mutter ist.