Sarah Folbrecht (15)

Fernweh

Weit in der Ferne ein einziger Hirte, seine Herde von mageren Rindern vor sich her treibend. Das Bild von der Hitze zerrissen, ein dunkler Strich hinter einer sich langsam vorwärts bewegenden hellen Form. Sonst weit und breit nichts, für längere Zeit, nur heißer Boden, brennender Sand, zerbrochene Erde, und trotzdem immerzu von der flackernden Hitze in Bewegung gehalten. Nur langsam werden die dunklem Striche immer häufiger, kleine und große, Familien sind es, ein Dorf – ein paar Familien, ein paar Ziegen, ein paar Hühner, ein Brunnen. Perfekter Urlaubsort, so ruhig, so naturbezogen. Armut, Hunger? Hier? Nein, die kennen es doch gar nicht anders. Hier, da unten, da gehört es doch so, die würden ja gar nicht wissen, was sie mit mehr anfangen sollten. Die Armut tut ihnen doch gut. Und so nett und sympathisch sind sie ja alle, immer lächeln sie, die kennen es nicht anders, Sorgen kennen die hier keine. Und nicht einmal auf die Kultur haben sie hier vergessen, man würde es ja gar nicht glauben, aber trommeln tun sie am Abend und singen, nur so, ohne Grund, was für einen Grund sollten die schon haben. Na einfach schön ist es dort, richtig erholsamer Urlaub, jedesmal wieder, und nächsten Sommer fahren wir auch, was? Gestorben? Wer? Die, die hat doch immer so zufrieden geschaut? Ah, kein Geld gehabt für den Arzt, gell, na, gibt eh so viele, da unten.