Christine Enterpfarrer (17)

Für M.

Heute morgen fühlte ich mich abwesend, bist du mich berührt hast.

Ich liebe dich.

Wer ist der Mann neben mir früh morgens? Habe ich ihn am Abend zuvor noch zu lieben gewusst, wird er mir im Morgengrauen unerträglich fremd und kalt. Hat er sich gestern zwar entkleidet, nicht aber seine Maske abgelegt und spielte nur, spielte. Ich möchte zuerst aufstehen, mich anziehen, ihm noch einen flüchtigen Blick zuwerfen, ein kurzes belangloses Lächeln. Ich richte mich auf und er ist fort. Ich frühstücke allein. Die Marmelade schmeckt zu süß für diesen Morgen. Ich setze mich auf die Terrasse und der wolkenlose Himmel nimmt mir jede Möglichkeit zur Illusion. Er ist so klar wie meine Gefühle gestern noch waren, doch heute sind sie durchzogen und eingehüllt von Nebelschwaden. Nichts scheint an diesem Morgen zu sein. Nichts.

Am Nachmittag schreibe ich:

Liebster

Mit dem Zeigefinger skizziere ich Verse in den noch immer unerträglich wolkenlosen Himmel. Die Sonne brennt. Ich dichte, nur für den Moment. Nicht für ihn. Ich würde gerne einen Himbeerkuchen backen, er mag aber keine Himbeeren. Plötzlich höre ich die Tür ins Schloss fallen. Er ist da. Geschickt wandert er durch die Zimmer, ohne sich einen Blick von mir aussetzen zu müssen. Er ist geübt darin.

Am Abend, ich sehe seine Silhouette durch den Vorhang, wie er am Balkon steht und in sein Notizbuch schreibt. Sein Notizbuch, welches er mit seinen Fingerspitzen liebkost und jede neue Seite, wie eine neue Geliebte von ihm, die er geschickt zu verführen weiß.

Ich sitze im Bett und schreibe weiter:

Liebster
Ich wünschte, eine Zeile wäre für mich bestimmt.

Er knipst das Licht aus, und ich bin wieder sein Spielzeug. Bin wie ein Tintenfass für ihn, in das er jede Nacht seine Feder taucht. Ich träume, dass der Himmel für mich weint.

Der nächste Morgen bringt keine Veränderung mit sich. Gedankenverloren lehne ich an der Tür zur Terrasse. Ich spüre, wie er mich von hinten umarmt und seinen Kopf auf meine Schulter stützt. Ich weiß, er ist längst weg. Die Sonne wärmt langsam, und ich hoffe auf Wolken. Das Blau hat längst das Haus insich gezogen.

Liebster
Ich wünschte, nur einer deiner Gedanken würde meinen Namen tragen.

Mit leeren Händen empfange ich ihn, und doch vergeblich warte ich, dass er mir das Gefühl gibt, sie wären das Einzige, wonach er sich sehnt. Er bittet mich, ihn nicht zu stören. Er arbeite an seinem Stück. Unser Leben besteht nur aus Szenen in seinem Kopf. Ein Stück über die Liebe. Ich frage mich, ob er weiß, was es bedeutet zu lieben. Vielleicht, vielleicht sucht er die Antwort bei der Frau in seinem Stück, und womöglich ist sie die Einzige, die er imstande ist zu lieben. Er hört mich im Nebenzimmer nicht weinen, und als die Nacht hereinbricht, schließe ich meine Augen und träume von seinen Küssen.

In der Nacht wache ich auf und sehe ihn noch neben mir liegen. Ich suche nach einem Stift.

Liebster
Dich neben mir liegen zu sehen erscheint wie ein Traum. Ein Traum, aus dem du mich jeden Morgen weckst.

Am nächsten Morgen backe ich einen Himbeerkuchen. Ich weiß, dass er heute erst sehr spät heim kommen wird. Ich nehme ein Bad, und während der Dampf sich auf meiner Stirn zu Tropfen bildet, schreibe ich:

Liebster
Ich möchte, dass du glücklich bist. Vielleicht ohne mich.

Am Abend lege ich den Zettel neben den Kuchen und schreibe ein letztes Mal:

Ich will auch glücklich sein.
Deine Margot.

Dann bin ich fort.

Als er nach Hause kommt, sieht er den Kuchen. Er nimmt den Zettel und setzt sich auf die Terrasse.

Liebster
Ich wünschte, eine Zeile wäre für mich bestimmt. Ich wünschte, ein Gedanke würde meinen Namen tragen. Dich neben mir liegen zu sehen erscheint wie ein Traum. Ein Traum, aus dem du mich jeden Morgen weckst. Ich möchte, dass du glücklich bist. Vielleicht ohne mich.
Ich will auch glücklich sein.
Deine Margot.

Er liest ihn einmal, zweimal, dreimal. Nichts ändert sich. Er holt sein fast fertiges Manuskript aus seiner Tasche und liest die Widmung:

Für M.

Dann streicht er sie durch.