Evelyn Weinfurter (13)

Ferien auf dem Mond

Vor dem Reisebüro in unserem Städtchen hatte sich eine riesige Menschenschlange gebildet. Es wurde geschubst und gedrängelt, um einen Blick auf das wohl aufregendste Urlaubsangebot aller Zeiten, nämlich eine atemberaubende Reise zum Mond, zu erhaschen. Dieses Angebot war sensationell und schlug wie eine Bombe ein.

Meine Eltern und ich stürmten sogleich in das Reiseunternehmen, und wir waren die Ersten, die sofort buchten. Papa fuchtelte aufgeregt mit dem Prospekt herum, in dem sowohl der Reisetermin vermerkt, als auch das mitzunehmende Gepäck aufgelistet war. Endlich war es soweit, unser Traum wurde Wirklichkeit.

Etwas nervös standen wir auf der Startrampe in Houston und warteten auf den Captain, der uns zum Raumschiff bringen sollte. Captain Bean dirigierte uns dann über eine kleine Leiter zur Einstiegsluke. Doch kaum hatte meine Mutter die zweite Leitersprosse erklommen, strauchelte sie und landete äußerst unsanft auf dem knallharten Betonboden. Der Notarzt musste ausrücken, um ihre Platzwunde am Hinterkopf zu versorgen. Kaum hatte sich die Aufregung unter den Feriengästen wieder gelegt, da passierte schon die nächste Panne. Die Einstiegsluke war dermaßen eng, dass mein Vater zwischen Tür und Angel stecken blieb. Peinlich, peinlich!

Als wir endlich unsere Sitzplätze eingenommen hatten, Papa hochrot, Mama leichenblass, verspürte ich plötzlich ein flaues Gefühl in der Magengegend. Mein Blick suchte verzweifelt nach einem Schildchen mit zwei Buchstaben, hinter dem sich ein gewisses Örtchen verbirgt. Kein Wunder, nach all diesen Aufregungen.

Doch bald darauf lief der Countdown, und wir hoben ab. Die Stadt unter uns wurde immer kleiner und kleiner, bis sie sich allmählich in nichts auflöste. Das Raumschiff legte an Geschwindigkeit zu, durchstieß dunkle Wolkenbänder und zischte an zahlreichen Sternenstraßen vorbei. Nach etlichen Flugstunden kündigte Captain Bean durch den Lautsprecher die bevorstehende Landung an.

Um weitere Pannen zu verhindern, wurde mein Vater von einem Flugbegleiter durch die Ausstiegsluke gezerrt, und für meine Mutter hielt man ein Sprungtuch bereit, als sie vorsichtig über die Leiter robbte. Der erste Schritt auf dem Mond war ein erhebendes Gefühl, und das wirklich im wahrsten Sinne des Wortes. Wie eine Feder schwebte ich über den Landeplatz hinweg, leicht und schwerelos.

Plötzlich kamen von allen Seiten kleine grüne und rosafarbene Männchen auf uns zugerast. Es waren die Mondbewohner, die uns Erdlinge überaus herzlich begrüßten und uns zu den Ferienhotels brachten. Die Hotels sahen aus wie kleine Märchenschlösser aus 1001-Nacht, umgeben von fantastischen Grünanlagen. Graue, poröse Gesteinsbrocken und tiefe Krater gibt es nur mehr in den Randgebieten, den sogenannten Favelas, des Mondes.

Gleich nach unserer Ankunft wurden unter den Urlaubsgästen Armbänder verteilt, in denen sich eine chemische Substanz befindet. Diese Substanz gibt besondere Strahlungen und Schwingungen an den Mondkern ab. Dadurch wird eine künstliche Schwerkraft geschaffen, die den fast schwerelosen Zustand aufhebt.

Meine Eltern und ich haben den Urlaub auf dem Mond in vollen Zügen genossen, jeder auf seine Weise. Es gibt dort riesige Sportanlagen, einen gigantischen Vergnügungspark, ein luxuriöses Spielcasino, Reit-und Tennisplätze, herrliche Swimmingpools und vieles, vieles mehr.

Außerdem sind die Mondbewohner sehr gastfreundlich und sprechen fließend Deutsch, Englisch, Französisch und Japanisch. Die grünen Männchen sind Männer und die rosafarbenen die Frauen. Die lilafarbenen sind die Mondkinder. Aber nicht nur wir Erdlinge sind auf dem Mond willkommen, man findet dort auch Feriengäste von den Planeten Mars, Jupiter und Pluto.

Die Marsmenschen sehen zwar aus wie Frösche, sind aber hochintelligent, irrsinnig charmant und wahnsinnig geschäftstüchtig. Sie tragen vom Marsgestein kleine Stückchen ab und bringen sie als sogenannte Mars-Riegel in den Handel.

Die Menschen vom Jupiter sind ebenfalls blitzgescheite Zeitgenossen und bestechen durch ihr gepflegtes Äußeres und ihr sicheres Auftreten.

Nur die Plutoaner sind etwas schwerfällig und sehen obendrein wie Dörrpflaumen aus, schrumpelig und ausgetrocknet. Sie haben sich den Geschäftssinn von den Marsmenschen abgeguckt und liegen mit ihren Pluto-Riegeln am Weltmarkt ganz gut im Rennen. Kein Wunder also, dass zwischen den Marsmenschen und den Plutoanern ein heißer Konkurrenzkampf herrscht.

Auf dem Mond gibt es keine Autos, keine Busse und keine stinkenden LKW. Das ist auch gar nicht nötig, denn ein kleiner Druck auf das Armband genügt, und man schwebt einfach mühelos und ferngesteuert an das gewünschte Ziel.

Die Ferientage vergingen wie im Flug, und der Abschied rückte immer näher. Lustlos stopfte ich meine Klamotten in die Reisetasche und nahm meinen Eltern das Versprechen ab, die nächsten Ferien wieder auf dem Mond zu verbringen. Wir meldeten uns gleich für das kommende Jahr an.

Außerdem wusste ich jetzt schon, dass ich nächstes Jahr mein altes Dreirad mitnehmen würde, um die kleinwüchsigen Mondbewohner damit zu beeindrucken.

MOND HEIL!!!!