Cordula Simon (13)

Die Fantasie der Schüler

Erster Schultag in der 4. Klasse: Anna kommt ins Klassenzimmer: "Brrr! Ich hasse Montag!" "Hey!" "Entschuldige, Katharina." Die Mädchen aus der Vierten haben nämlich spezielle Decknamen:

Montag – Katharina

Dienstag – Luise

Mittwoch – Anna

Donnerstag – Bianca

Sie sind leider nur zu viert, und sie kämpfen in der Schule für Kaugummikauen und die Vier-Tage-Woche.

Denn Kaugummikauen fördert die Durchblutung des Gehirns, und nur vier Tage Schule wären sowieso, ohnehin, überhaupt und prinzipiell nicht schlecht. Im übrigen haben sie ein sehr, sehr gutes Motto: Freiheit für die Lehrer! Mehr Ferien!

Es gibt oft kleine Aktionen, die den Schulalltag versüßen, z.B.: Als alle Kreiden an die frisch gelöschte Tafel geklebt wurden, konnte man darauf nicht schreiben, denn das ist schließlich moderne Kunst (die nach zwei Stunden wieder abbröckelt – leider). Oder letztes Jahr zu Schulschluss ist eine kleine Gruppe Schüler mit einer Flasche Sekt (halbtrocken) in den Wald gewandert. Drei Flaschen waren vorhanden, irgendjemand hat sie dem Thomas in die Hand gedrückt und gesagt: "Trag das." Hinterher hat er es selber nicht mehr gewusst, wer. Tja, wahrscheinlich der Heilige Geist.

Es war aber auch sehr interessant, als Markus, unser Mathe-Genie, vor der Deutschstunde Kaugummis verteilte, um zu sehen ob die Meier, Verzeihung Frau Meier es bemerkt. Nachher hat sie nur gefragt, von wem die Idee stammt. Eine wirklich fortschrittliche Lehrerin: Sagt kein Wort, wenn alle kauend dasitzen. Es bemerkte bisher auch keiner, wenn Zettelchen Marke "Hansi+Bianca" durch die Bänke wanderten.

Allerdings hat es jeder Lehrer bemerkt, wenn Thomas mit der Schere herumspielte. Unserem Musiklehrer, dem Herrn Hofer, ist der Geduldsfaden gerissen: Er hat einfach die Schere genommen und aus dem Fenster geschmissen.

Mit unserem Religionslehrer haben wir auch einiges erlebt. Als er einmal gefragt hat: "Wisst ihr, was die dritte Welt ist?" haben alle gleichzeitig geantwortet: "Stribstrüll!" Das ist ein hässlicher kleiner Vorort von Kleinkrautsee. Leider ist dieser Lehrer über das Osterfeuer gesprungen. Viele würden meinen, das ist ja nicht tragisch, aber er ist so unsanft gelandet, dass er sich den Fuss gebrochen hat.

Für den Rest des Schuljahres hatten wir eine wahre Kindergartentante als Religionslehrerin: "Während ihr das anmalt, lese ich euch eine Geschichte vor, und dann werden wir was spielen." Normalerweise unterrichtet sie Vorschüler.

Es gibt Lehrer, bei denen man sich überhaupt nicht mehr zu helfen weiß. Wer übrigens in die Klasse überhaupt hineinkommen will, muss unserem "Türsteher" das Passwort sagen (der Schnitzelsemmel – auf die Schnitzelsemmel würde schließlich jeder kommen).

Die beste Geschichte wurde allerdings geliefert, als irgendjemand im Physikunterricht das Kupfersulfatfläschchen mit dem Petroleum vertauscht hat. Die Lehrerin hielt ein brennendes Holzstückchen in die kleine Flasche (Es war so wenig drinnen, das sie es nicht herausleeren wollte). Irgendwas wollte sie uns mit dem Experiment zeigen. Uns hat es bloß eine kleine Stichflamme gezeigt. Verletzt wurde niemand, aber wir mussten nachher trotzdem alle beim Direktor antreten.

Er grinste uns an. "Wer ...", er blickte von einem zum anderen, "...war das?"

Da hat einer angefangen: "Ich glaube es war Mittwoch."

"Nein, viel zu feige, eher Montag"

"Aber auf solche Ideen kommt höchstens Donnerstag!"

"Ich finde die größte Wahrscheinlichkeit ist Dienstag:!"

Das ging solange weiter, bis uns der Direktor mit den Worten in die Klasse schickte: "Ich weiß zwar nicht, wer es war, aber macht das bitte nicht wieder." Dann hat er mit seinem Psychiater telefoniert (lauschen – man muss nur wissen wie).

So praktisch können Decknamen sein. Aber auch wenn Mittwoch Montag hasst, treibt sie ihre Neugierde in die Schule: Wer möchte denn schon verpassen, wozu Schüler ihre Fantasie haben?

 

Für eine Gruppe "Anonymer"

Größtenteils nach wahren Begebenheiten.

Namen von Personen und Orten wurden bewusst geändert.