Marie Pilz

8 Jahre, Gleisdorf

1. Preis (8-10 Jahre)

 

 

(Keine) Angst?

 

Hallo!

Ich erzähle euch heute von der Angst.

Es ist nicht so, dass ich vor nichts Angst habe. Nein, gerade davon will ich euch erzählen. Wovor ich Angst habe. Und jetzt fange ich an:

 

DIE MONSTER-MAUS

Als ich klein war, hatte ich besonders vor einer Sache Angst – und zwar vor unserem Keller. Dort wohnte nämlich ein Monster, das Keller-Monster.

Ich wusste schon immer, dass es dort wohnte. Im Eck, wo das Monster sein musste, waren immer Geräusche!

Eines Tages, als ich mit meinem Vater allein zu Hause war, meine Mutter war gerade auf ihrer Wochenendhütte, aßen Papa und ich gerade zu Abend.

Da sagte mein Vater zu mir: „Lauf schnell in den Keller und hol mir ein gekühltes Bier." Ängstlich stieg ich die Stufen zum Keller hinunter. Ich hörte das Monster brüllen.

Da überwand ich meine Angst und schaute in die alte Regentonne, wo das Monster sein musste. Ich sah in die Tonne – und da saß eine Maus, eine winzige Maus, die piepste. Das hörte sich durch die Tonne an, als ob jemand brüllte. Vor der hatte ich also so Angst gehabt!

Ich brachte Papa das Bier und erzählte von der Monster-Maus.

Auch Mama erzählte ich die Geschichte. Sie waren beide sehr stolz auf mich, weil ich mich getraut hatte, nachzuschauen.

 

Jetzt habe ich keine Angst mehr vor dem Keller.

Aber noch vor vielen anderen Dingen. Zum Beispiel vor dem alten Stall meiner Oma. Und das ist wieder eine andere Geschichte und die geht so:

 

DIE WEISSEN GEISTER

Ich hatte eine Oma. Sie war Bäuerin und hatte viele Tiere. Aber ein Stall am Bauernhof war leer. Mein Onkel Friedel erzählte, dass dort um Mitternacht Gespenster wären. Meine Schwester und ich glaubten das. Sonst niemand.

Eines Nachts in den Sommerferien, wir waren bei Oma zu Besuch, da weckte mich meine Schwester um Mitternacht auf. Sie fragte: „Kommst du mit? Ich gehe in den Stall, Geister suchen." „Na klar," antwortete ich und zog mich an. Wir schlichen zum alten leeren Stall. Meine Schwester ging entschlossen hinein. Ich hatte große Angst und wartete draußen. Dann hörte ich einen schrillen Schrei: „Aaaaaa!"

Der klang ganz nach meiner Schwester. Da kam sie schon aus dem Stall geflitzt. Ich schaute durch eine Ritze in der Tür in den Stall.

Und es stimmte. Zwei weiße Geister flogen da herum.

Ich wollte kreischen. Aber meine große Schwester hielt mir den Mund zu.

Da schlug die Turmuhr. 1 Uhr. Genau 1 Uhr. Die Gespenster hörten es und flogen durch das Stallfenster fort.

 

Das bleibt für immer ein Geheimnis von uns dreien; meines, das meiner Schwester und das von Onkel Friedel. Ich weiß jetzt, dass es Gespenster gibt. Ich gehe aber seither nie mehr in den alten Stall.

Eine Angst gibt es, die hatte ich, als ich ganz klein war. Die Angst vor der Nacht. Und das war so:

 

DIE NACHTSCHATTEN

Bis ich drei Jahre alt war, schlief ich im Zimmer meiner Eltern. Ich hatte keine richtige Angst vor der Nacht. Nein, ich hatte bloß Angst vor den sogenannten Nachtschatten. Als Baby waren sie mir egal. Aber als ich zwei Jahre alt wurde, da bekam ich erst diese Angst.

Und so entstanden die Nachtschatten.

Ich musste um 8 Uhr ins Bett. Meine Mutter ließ nur ein ganz kleines Lämpchen brennen. Der Schein der Lampe fiel auf die Topfpflanzen, und die warfen die Nachtschatten ans Fenster.

Ich erzählte meiner Mutter von den Schatten. Die sagte: „Morgen Abend wird der Anführer der Nachtschatten zu dir kommen, von den Nachtschatten erzählen und dir helfen." Ich erstarrte fast, als ich das hörte.

Ich hörte Mama telefonieren. Sie faselte irgend etwas von Nachtschatten, und immer sagte sie dazwischen: „Ja, Herr Chef; natürlich, Herr Chef; geht klar, Herr Chef."

Ich dachte, sie telefoniert bestimmt mit dem Anführer der Schatten. Am Abend versteckte ich mich unter meiner Decke. Und hoffte, nie mehr entdeckt zu werden. Aber ich blieb nicht einmal eine viertel Stunde unentdeckt.

Kaum lag ich fünf Minuten, zog mir jemand die Decke weg, und meine Mutter setzte mich auf. Ein riesiger Vampir stand da vor mir. Ich wollte schreien, aber es ging nicht.

Dann begann er zu sprechen. Er sagte: „Du hast doch Angst vor Nachtschatten." Ich nickte. Er sagte: „Ich lasse sie einfach ausschwärmen. Ich kann nichts dafür, dass sie hier sind." Es klang freundlich, wie er redete. Ein bißchen wie mein Vater sah er aus und hatte auch so eine Stimme. Ich konnte noch immer nicht schreien, und so vermutete ich auch, dass ich nicht reden konnte, und nickte nur. Und nickte immer weiter. „Soll ich sie vertreiben?" fragte der Vanipir freundlich, und ich nickte.

Dann versuchte ich zu sprechen. Es ging.

Ich sagte: „Lass einen ganz kleinen da. Der soll mich beschützen vor bösen Träumen." Meine Mutter war zum Lämpchen gegangen. Der Vampir murmelte einen Zauberspruch. Meine Mutter drehte am Lämpchen. Als ich zum Fenster sah, war nur mehr der kleine Schatten da.

 

Als ich größer war, hatte ich in meinem neuen Zimmer ganz viele Nachtschatten, und ich hatte gar keine Angst mehr vor ihnen.