Benedikt Karl (13)

Pokerspiel mit dem Teufel

 

"Großvater, bitte erzähl mir eine Geschichte," bettelte der kleine Finn. Der alte Mann legte noch ein paar Buchenscheiter in den Kamin, so daß das Feuer hoch aufloderte und unheimliche Schatten auf die Wände warf. Dann setzte er sich in seinen Lehnstuhl, steckte sich seine Pfeife an und legte los:

 

Du kennst doch sicher die Heide draußen vor dem Dorf. Dort soll, so erzählt man sich, einmal ein Wirtshaus gestanden haben. Manch müder Wandersmann kehrte, wenn es Abend wurde, dort ein, um einen kleinen Imbiss zu nehmen und dann schlafen zu gehen. So auch Jackie Jack, der an diesem Abend über die dunkle Heide kam. Mit festem Schritt betrat er die Gaststube und setzte sich an einen Tisch, wo schon ein anderer Gast über einem Glas Weizenbier brütete.

"Einen Kornschnaps, Frau Wirtin!" rief er in Richtung Theke, während er sich seines Mantels entledigte.

"Wohin des Weges?" fragte der Mann und tat einen kleinen Schluck an seinem Bier.

"Ich komme von dort und will nach da," und dabei deutete er mit dem Daumen zuerst den Fluß hinauf und dann hinunter.

"Zur Diamantenschleife etwa," entfuhr es der Wirtin.

Jacki nickte leicht und brummte unverständliche Worte in seinen Bart.

"Laß uns pokern," schlug der andere Gast in diesem Augenblick vor.

"Um an meine Steine zu kommen?" fragte Jacki Jack mißtrauisch. "Vergiß es," fügte er hinzu und setzte an, sich zu erheben, als der Fremde ihn am Rocksaum zurückhielt und zuflüsterte: Deine Steine interessieren mich nicht, vielmehr deine Seele. Gewinne ich, bekomme ich sie, gewinnst du, verdopple ich deine Klunker."

Die Aussicht auf so viele Diamanten verleitete ihn, sich zu setzen. Und als der fremde Gast alias Satan sein Kartenspiel hervorholen wollte, zog Jacki sein eigenes hervor, denn er dachte sich: "Vielleicht hat es ja mit den Teufelskarten eine eigene Bewandtnis."

So war es auch. Ärgerlich mußte der Bösewicht feststellen, daß er durchschaut worden war. Die Karten wurden gemischt. Jacki Jack hatte kein sonderlich gutes Blatt; sein Kontrahent schon am Anfang eine Pokerhand. Doch nach einigem Austäuschen hellte sich Jackis Gesicht immer mehr. Schließlich legte der Satan nun doch wieder siegessicher seinen Poker auf den Tisch. Jacki Jack jubelte laut auf und knallte seinen Royal Flush auf die Platte. Dann herrschte sekundenlang Totenstille im Gastzimmer, als der Teufel einen spitzen Schrei ausstieß, sich in einer Nebelwolke auflöste. Fast im gleichen Moment zuckte draußen ein greller Blitz, ein Sturm trug das Dach davon, und die Wände stürzten ein. Jacki Jack und die Wirtin wurden unter den schweren Steinblöcken lebendig begraben.

Und noch heute, wenn man im fahlen Mondlicht über die Heide spaziert, hört man oft zwischen den Ruinen einen langgezogenen Wehlaut oder einen schrillen Schrei.

 

"Spannend," meinte Finn, der die ganze Zeit mit offenem Mund dagesessen war, während Großvater sich erneut seine Pfeife stopfte.