Lisa-Marie Falzberger (9)

Die Reise eines Regentropfens

Alles hat damit angefangen, dass Petrus – ach Entschuldigung, ihr wisst nicht, wer Petrus ist? Petrus ist der, der im Himmel das Wetter einschaltet. Wenn man Regen braucht, schaltet er den Regen ein, und wenn man die Sonne braucht, schaltet er die Sonne ein.

In der kleinen Wolke liegen ich und meine kleinen Regentropfenfreunde. In der großen Wolke liegen die alten Regentropfen, die demnächst auf die Erde fallen werden. Ich aber bin Petrus’ bester Freund, und er besucht mich regelmäßig. Aber der zerstreute Petrus schaltete leider aus Versehen den falschen Knopf, und meine kleinen Freunde und ich fielen auf die Erde. Petrus schrie mir nach: „Nein, Futsch, bleib da!"

Und übrigens, Futsch bin ich. Ihr könnt euch bestimmt denken, wie schrecklich das für mich war: der weinende Petrus, eine fremde Landschaft. Ich sah schon den hässlichen grauen Asphalt. Unter mir ging gerade das freundliche Mädchen Sandra vorbei, aber oh Schreck! Ich landete auf ihrem zerlöcherten Regenschirm. Ihr müsst wissen, sie ist das ärmste Mädchen der ganzen Stadt Graz. Durch den zerlöcherten Schirm rutschte ich in ihre Hand. Das Mädchen pflückte gerade ein Kastanienblatt und drehte die Handfläche nach unten. Und ich rollte langsam auf das Blatt. Sie trug das Blatt in ein ziemlich großes Haus mit Fenstern und Riegel. Sandra lebte allein in dem einsamen Haus. Aber es war bitterkalt. Entweder, ich bin ein Wunderregentropfen, oder es war wirklich so kalt, dass ich am nächsten Morgen noch immer nicht zerronnen war. Sandra trug mich aus dem Haus, da begann Sandra mit mir zu reden: „Na, du! Hast du einen Namen?"

„Futsch", sagte ich und lachte.

Sandra machte eine Schüssel aus der Hand und drehte das Blatt um, ich glitt langsam vom Blatt in ihre Hand. Es wurde heißer und heißer und als ich genau hinhörte, hörte ich meinen besten Freund – nein, ich meine nicht Sandra, Sandra ist meine besten Freundin. Aber ich meine Petrus, den zerstreuten Wetterschalter, der mich versehentlich mit den anderen Babytropfen heruntergeschalten hatte.

Ich sagte mit schwerem Herzen zu Sandra: „Ich möchte wieder in die Wolke, dort, wo Regentropfen wohnen. Aber du bleibst und bist meine beste Freundin, und wenn du nichts dagegen hast, stell mich in die Sonne, die Sonnenstrahlen werden mich zu Petrus bringen."

Sandra schluchzte. „Aber du bist das einzige, was ich habe."

Ich versprach ihr: „Beim nächsten Regen besuche ich dich wieder, und bei der nächsten Sonne fliege ich wieder zu Petrus."

Also stellte mich Sandra in die Sonne, und langsam, sehr, sehr langsam stieg ich in den Himmel. Endlich war ich an Petrus’ Wetterwarte, eigentlich Haus, angelangt. Ich hörte Petrus weinen: Warum, warum habe ich nur meinen besten Freund auf die Erde gelassen, das war der schlimmste Fehler meines Lebens."

„Hallo, Petrus, ich bin wieder da!"

„Futsch, du?"

Petrus sprang auf und umarmte mich. Ich erzählte ihm alles und auch, was ich Sandra versprochen hatte. Petrus sagte: „Gut, ich lasse dich beim nächsten Regen wieder auf die Erde, aber wenn Sonnenschein ist, kommst du wieder herauf."

Endlich wusste ich, was das Leben eines Regentropfens war.