Adina F. Camhy (11)

Mumgnub und Ötzi

 

"Der Schnee ist heute besonders weiß!" dachte sich Mumgnub, während er durch den kleinen Ort spazierte. Auf den Dächern lag eine dicke Schneedecke. Es war unheimlich kalt. Aber Mumgnub hatte ja die warmen Felle, die ihn vor der Kälte schützten. In diesem kleinem Dorf lebte Mumgnub mit seiner Familie. Mumgnub war 24 Jahre alt. Seine große Liebe war die wunderschöne Bauerntochter Kandim. Sie hatte wunderbare braune Haare, und ihre Augen waren so munter, wie der Fuchs, der durch die Wälder strich und nach den Vögeln schnappte.

Auch Klompoz liebte Kandim. Er kam gerade aus seinem Haus. "Hallo, Klompoz!" sagte Mumgnub, aber dieser antwortete nicht, er ging einfach an Mumgnub vorbei. Klompoz mochte Mumgnub nicht, er haßte ihn. Mumgnub ging in das Haus, in dem Kandim mit ihrer Familie wohnte. Es gab Familienhäuser, jeder mußte solange mit seiner Familie zusammen leben, bis er eine Frau beziehungsweise einen Mann gefunden hatte.

Das Haus in dem Kandim lebte, war sehr geräumig. Es wohnten sieben Menschen darin. Mumgnub sah Kandims Mutter, die Getreide mahlte. Kandim stand am Webstuhl "Hallo, Kandim!" rief Mumgnub. "Hallo!" sagte sie. Kandims Schwester knetete den Teig für das Fladenbrot. Mumgnub verabschiedete sich bald wieder und verließ das Haus.

Die Luft draußen war kalt und naß und roch nach Schnee. An guten Tagen, wenn die Sonne den höchsten Punkt erreichte, gingen die Männer auf die Jagd, denn im Dorf gab es nicht so viele Kühe und Schweine, wie im Vorjahr, da in diesem Winter viele gestorben waren. So hatten sie kein Fleisch mehr.

Mumgnub nahm seinen Bogen, einen Köcher mit Pfeilen und ein Gerät, das ihm als Axt diente. Er verabschiedete sich von seinen Eltern und Geschwistern. Dann machten er und andere Männer sich auf den Weg. Sie mußten zu Fuß gehen. Dieser Marsch würde mehrere Tage dauern, deshalb nahmen sie viele Vorräte mit.

Der Schnee war pulvrig und man versank leicht darin. Sie wanderten Stunden, immer im selben Tempo. Es begann wieder zu schneien und es wurde neblig. Bald erreichten sie einen Wald. Der Wald war dunkel und still. Man konnte nur den Schnee unter den schweren Stiefeln aus Fell knirschen hören. Mungnubs Lippen waren blau. Er zitterte und fror am ganzen Körper. Den anderen erging es ebenso. Auf einmal sah Mumgnub einen riesengroßen Elch. Er hatte noch nie ein so großes Tier gesehen.

Der Wind wehte in eine gute Richtung. Der Elch war ungefähr 70 Schritte von Mumgnub entfernt. Keiner außer ihm hatte das Tier gesehen. Leise nahm er einen Pfeil aus dem Köcher, spannte den Bogen und schlich sich näher. Dann ließ er den Pfeil wegschnalzen.

Klompoz hatte Mumgnub beobachtet. Auch er spannte seinen Bogen und schoß. Er verfehlte den Elch um ein Haar. Der Pfeil Mungnubs traf den Elch mitten ins Herz, sodaß er sogleich zusammenbrach. Schnell liefen alle Männer herbei. Sie begannen, dem Tier das Fell abzuziehen und große Fleischstücke herunterzuschneiden.

Mumgnub wurde aufgetragen, einen Lagerplatz zu suchen, da alle erschöpft waren. Mit schnellen Schritten entfernte er sich. Er war stolz, sehr stolz. Er hatte den Elch erlegt, er allein. Er war ein Held. "Was wird wohl Kandim dazu sagen, wenn sie erfährt, daß ich den Elch erlegt habe?" dachte Mumgnub. Er merkt nicht, daß er von einer dunklen Gestalt verfolgt wurde. Auf einmal sah er eine große Lichtung mit einem kleinen See. Dieser war zugefroren und die dicke Eisschicht war mit Schnee bedeckt. "Ja, das ist der richtige Lagerplatz." sagte er leise. Plötzlich hörte er Schritte hinter sich. Blitzschnell drehte Mumgnub sich um. Hinter ihm stand Klompoz. Er hatte ein rotes Gesicht und der Schweiß rann ihm über die Stirn. "Ich habe den Elch zuerst gesehen und nicht du!" sagte Klompoz und ging auf Mumgnub zu. Es begann ein harter Kampf. Klompoz schlug Mumgnub ins Gesicht und gegen die Rippen. Mumgnub verteidigte sich mit dem Bogen, doch der brach. So schnell er konnte, rannte Mumgnub davon. "Nur weg von diesem Klompoz." Mungnubs Rippen schmerzten, und er fühlte seine Nase nicht mehr.

Er bemerkte, dass Klompoz dicht hinter ihm war. Jeder Schritt, den Mumgnub machte, schmerzte, und seine Knie und seine Rücken taten ihm weh. Links von Mumgnub lag ein hoher Berg. Eine senkrechte Felswand führte zu einem Felsvorsprung. Nach diesem Felsvorsprung ging es cirka 30 Grad bergauf. Mumgnub hatte eine Idee: "Ich klettere die Wand bis zum Felsvorsprung hinauf und gehe dann einfach weiter."

Er wußte, daß Klompoz nicht gut klettern konnte. Mumgnub aber war der beste darin. Im Laufen zog er seine Handschuhe aus, weil er mit ihnen nicht klettern konnte. Schnell wie ein Wiesel kletterte Mumgnub die Wand bis zum Felsvorsprung empor. Schließlich lief er weiter und immer weiter den Berg hinauf. Er konnte Klompoz schon lange nicht mehr sehen. Er rannte aber trotzdem im selben Tempo weiter.

Er wußte nicht, wie lange er schon gelaufen war, aber es war bestimmt eine geraume Zeit. Mumgnub sah nur mehr weiß. Er rannte weiter. Schließlich erreichte er einen kleinen Kessel, in dem er halbwegs windgeschützt war. Darin wuchsen riesengroße Eiben. "Ich muß mir einen neuen Bogen machen, damit ich mich verteidigen kann, wenn Klompoz kommt." dachte er.

Er holte sein axtartiges Gerät heraus, um eine Eibe zu fällen. Die Schläge, die er der Eibe verpaßte kosteten ihm viel Kraft. Er spürte die Schmerzen nicht mehr. Es war ihm viel zu kalt. Er schnitzte den Bogen aus einem übermannshohen Stamm. Als dieser fertig war, merkte er, dass der Himmel immer dunkler wurde.

Es begann heftig zu schneien, und der Wind wurde immer stärker. Das war der Anfang eines Schneesturms. Mumgnub wußte das. Er mußte sich sofort in Sicherheit bringen, bevor der Schneesturm erst so richtig anfing. Er konnte schon fast nichts mehr sehen, da die Flocken so dicht fielen. Mumgnub tastete die Felswand ab, um einen Unterschlupf zu finden. Er entdeckte eine kleine Felsnische. Zitternd verkroch er sich. Mumgnub merkte, wie seine Gelenke immer schlaffer und schwerer wurden. Er wollte sie bewegen um sie aufzulockern, aber es gelang ihm nicht. Er hörte, wie der Wind immer stärker wurde.

Auf einmal war ihm nicht mehr so kalt. Er war ganz warm. Die Wärme gelangte durch seinen Körper. Sein Herz wurde hell. Er hörte den Wind. Dieser wurde immer leiser. Seine Augenlider wurden schwerer und schlossen sich von selbst. Mumgnub war tot.

Seitdem sind 5000 Jahre vergangen. Eines Tages, als Touristen durch die wunderbaren Berge spazierten und die Landschaft genossen, passierte es. Sie fanden ihn. Ötzi!