Julia Steiner (10)

Flip, Flap und Flop

Hallo! Ich heiße Rudolf Rund und meine Aufgabe ist es, Kindern Geschichten zu erzählen. Heute handelt meine Geschichte von vielen Tieren und einer schwarzen Nacht. In dieser Nacht wird einigen Tieren ein Licht aufgehen, so auch Lilliane Katze. Weil dieser Name zu lange ist, nennen ihre Freunde sie Lilli.

Lilli wohnt nicht wie alle Katzen in einem Haus mit Garten, nein, sie wohnt in einem verrosteten Wohnwagen am Schrottplatz. Früher einmal lebte sie auf dem Land in einem alten Stall. Doch dann hat der Vermieter, ein außergewöhnlich gemeines Schaf, die Miete erhöht und Lilli zog aus. Hier, in der Stadt, muss sie keine Miete zahlen, denn Murr, der Kater, hat ihr den Wohnwagen geschenkt. Murr ist Lillis bester Freund und hat in meiner Geschichte eine Hauptrolle. Oh, ihr Kinder meint, ich soll die Geschichte endlich erzählen. Na gut, dann beginne ich eben:

Es war eine schwarze Nacht. Lilli saß vor ihrem Schminktisch und strich sich die Lippen rot an. Das machte sie immer, wenn sie mit Murr zum Italiener essen ging. Sie klippte sich auch wie immer die bunten Ohrringe an die Ohren. »La la di da dum« summte sie wie jedes Mal. Es war eben wie jede Nacht. Glaubte zumindest Lilli. Zwei Minuten vor 22 Uhr war Lilli fertig. »Oh, jetzt hab’ ich ganz den Armreifen vergessen!« miezte sie, zog einen Schuh aus und ein goldener Schlüssel kam zum Vorschein. »Ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen,« sagte Lilli und sperrte einen Schrank auf, in dem sich ein Safe befand. Diesen konnte man ebenfalls mit dem Schlüssel öffnen. Immer wieder musste Lilli über die Schönheit des Armreifens staunen. Er war aus purem Gold mit einem Rubin in der Mitte. Um Punkt 22 Uhr klopfte es an der Tür. Es war Murr, der wie immer seine Krawatte umgebunden hatte. Murr arbeitete bei der Polizei und glaubte, alles über Bösewichte zu wissen. »Gehen wir?« fragte er Lilli. »Gehen wir!« antwortete diese.

Die Nacht war dunkler als dunkel. Nur die Straßenlaternen erhellten sie. Es war niemand außer einer alten Henne und ihnen unterwegs. »Albertos Pizzeria« verkündete die Leuchtschrift über einem alten Gebäude. »Lass uns vor dem Essen noch ein bisschen spazieren gehen!« sagte Lilli. Murr machte ein besorgtes Gesicht und meinte dann: »Wenn du meinen Rat als Polizist hören willst, dann sage ich dir, dass du verflixt gut auf deinen Armreifen aufpassen musst. Hier treiben sich Ratten herum und Ratten sind die Allerbösesten. Jawohl!«

Aber Lilli war von ihrer Idee nicht abzubringen. Kopfschüttelnd folgte ihr Murr. Nach einer Weile verspürten beide großen Hunger. Sie wollten umdrehen. Lilli musste noch einen Stein aus ihrem Schuh entfernen. Als sie fertig war, hörte Lilli etwas Verdächtiges. Hinter Lilli knackte es. Was in den nächsten Minuten geschah, ging so schnell, dass nicht einmal Murr etwas unternehmen konnte. Aus einer Nische war ein Hund mit einem Strumpf über dem Kopf aufgetaucht. Er riss Lilli den Armreifen weg. Doch was war das? Drei Ratten versperrten dem Hund den Weg. Der Hund geriet in Panik.

»Gib den Armreifen zurück!« riefen die Ratten im Chor. Der Hund begann zu schwitzen, doch er gab nicht auf. Er stolperte und der Armreifen fiel ihm aus der Hand und in einen Kanal. Die drei Ratten stürzten sich auf den Hund. Sie fesselten ihn. Murr und Lilli hatten sich von ihrem Schock erholt. Lilli rief sofort die Polizei. Wie ein Paket verschnürt lag der kriminelle Hund auf dem Boden.

»Also, ich bin Flip, der mit der Brille ist Flap und der mit dem Ohrring ist Flop,« stellte die Ratte mit den roten Haaren sich und die zwei anderen Ratten vor. »Tut mir leid wegen des Armreifens,« meinte Flap. »Ach, das alte Plastikding. Den echten habe ich in meiner Tasche. Als ich den Stein aus dem Schuh entfernt habe, ist er von mir ausgetauscht worden. Aber wichtig ist nur, dass ihr bewiesen habt, dass nicht alle Ratten böse sind!« sagte Lilli und lachte. Murr sagte gar nichts, aber er lud die drei Ratten zum Pizzaessen ein.

(1998)